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Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel de Montaigne
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Befindens. Die äußern Zufälligkeiten nehmen Geschmack und Farbe an von der innern Beschaffenheit. So wie die Kleider uns nicht mit ihrer eigenen Wärme erwärmen, sondern mit der unsrigen, welche sie zusammenzuhalten und zu vermehren geschickt sind. (Wer damit einen kalten Körper bedeckte, der würde damit der Kälte eben den Dienst der Vermehrung und Erhaltung tun, denn auf diese Weise erhält man den Schnee und das Eis.) Gewiß, es geht mit allem so zu, wie damit, daß einem Faulen das Studieren eine Plage, dem Trunkenbold die Enthaltung von starken Getränken peinlich, dem Leckermaul eine mäßige Mahlzeit eine Strafe und dem Weichling Leibesübungen eine Marter ist: So ist es mit allem übrigen. Die Dinge sind an und für sich selbst nicht so schwer, so schmerzhaft, sondern unsere Schwäche und Schlaffheit macht sie dazu. Um über große und erhabene Sachen zu urteilen, wird eine große erhabene Seele erfordert, sonst leihen wir ihnen unsere eigne Kleinheit. Ein gerades Ruder scheint im Wasser gebrochen. Es tut's nicht allein, die Sachen zu sehen, sondern darauf kommt's an, wie man sie ansieht!
    Nun aber möcht' ich fragen: Warum, nach so vielen Gründen, wodurch man die Menschen auf so mancherlei Weise überredet, den Tod zu verachten und die Schmerzen zu ertragen, wir niemand finden, der beides an unsrer Statt übernehmen will? Und warum unter so manchen Gedanken, um solches andern zu überreden, nicht ein jeder noch einen für sich selbst hinzufüge, der sich für seine Laune schicke? Wenn ein Magen die starke Arznei nicht vertragen kann, die sein Übel an der Wurzel anzugreifen und vom Grunde aus zu heilen vermag, so gebe man ihm doch wenigstens Lenitive, die ihm Linderung schaffen! Opinio est quaedam effeminata ac levis, nec in dolore magis, quam eadem in voluptate: qua quum liquescimus fluimusque mollitia, apis aculeum sine clamore ferre non possumus ... Totum in eo est, ut tibi imperes. 23 Übrigens hintergeht man die Philosophie dadurch nicht, daß man die Schmerzen über alle Maßen bitter und der Schwäche der Menschheit unerträglich vorzustellen sucht. Denn man nötigt sie dadurch nur zu dieser unwiderlegbaren Antwort: Wenn es unerträglich ist, in Not und Elend zu leben, so ist doch wenigstens in Not und Elend zu leben keine Not vorhanden. Niemand ist lange elend als durch seine eigne Schuld. Wer nicht Herz genug hat, weder das Leben noch den Tod zu ertragen, wer weder fliehen noch widerstehen will, was ist für den zu tun?
     
    Fußnoten
     
    1 Lucan IV, 580: Ach, daß der Tod auch Feige und nicht allein den Tapfern trifft!
     
    2 Cicero, Tusc. disp. I, 37: Wie oft sind nicht unsre Kriegsfürsten nur, sondern ganze Heere dem ungezweifelten Tode entgegengeeilt.
     
    3 Lucrez IV, 436: Täuschen die Sinne, so ist alle Vernunft dahin.
     
    4 Der erste Vers stammt aus einer Satire des Boëthius: Entweder war er, oder er kommt; bei ihm ist nichts Gegenwärtiges; der zweite aus Ovid, Heroid., Ariadne an Theseus 82: Nicht so sehr der Tod als das Warten auf den Tod ist eine Qual.
     
    5 Augustin, De civ. Dei I, 11: Sterben ist kein Weh, ist das nur wohl, was drauf erfolgt.
     
    6 Seneca, De provid. 4: Tapferkeit geizt nach Gefahr.
     
    7 Cicero, De fin. II, 10: Nicht nur bei Scherz und Spiel, bei Lachen, Zeitvertreib und Wollust, des Leichtsinns Gefährten, herbergt des Lebens Glück. Denn auch der Mann von stillem Ernst findet es oft im festen Mute, womit er seine Übel trägt.
     
    8 Lucan IX, 404: Um so inniger freut die schöne Tat den Mann, je mehr sie ihn gekostet.
     
    9 Cicero, De fin. II, 29: Ist er (der Schmerz) schwer, so ist er kurz; hält seine Dauer aber an, so ist er leicht.
     
    10 Cicero, De fin. I, 15: Vergiß es nicht: Die großen Schmerzen heilt der Tod; ihre Zeiten der Ruhe haben die kleinen. Derer zwischen beiden sind wir Herr: sonach ertragen wir, die zu ertragen sind. Ist ihre Last zu schwer, wird uns des Lebens Rolle lästig: wer wehrt uns, von der Bühne zu treten?
     
    11 Augustin, De civ. Dei I, 40: Das Schmerzensmaß steht umgekehrt mit unserem Widerstand.
     
    12 Cicero, Tusc. disp. V, 27: Nie hätte Gewohnheit die Natur bezwungen, die unbesiegbar ist. Wir haben unseren Verstand vergiftet durch Wohlleben, durch Üppigkeit, Müßiggang und Faulheit und schwächen und erschlaffen ihn noch immer mehr durch törichte Meinungen und verderbte Sitten.
     
    13 Cicero, Tusc. disp. II, 17: Welcher auch nur mittelmäßige Fechter stieß auch nur einen Seufzer aus oder verzerrte die

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