Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
als die Wirkung der Gewohnheit. Und da ich einsehe, an wie dünnen Faden die Nebengüter hängen, so ist mitten in meinem vollen Genuß meine vornehmste Bitte, die ich zu Gott schicke, er möge mich bei der Zufriedenheit mit mir selbst und mit den Gütern, die in mir selbst liegen, erhalten. Ich kenne junge, starke und frische Leute, welche gleichwohl einen Teig zu Pillen in ihren Koffern bei sich führen, um sich derselben zu bedienen, wenn sie ein Schnupfen befallen sollte; welchen sie dann um so weniger fürchten, weil sie in ihren Gedanken das Mittel dagegen bei der Hand haben. So muß man's machen und noch dazu, wenn man sich einer schlimmern Krankheit unterworfen fühlt, und sich mit solchen Mitteln versorgen, welche das kranke Glied betäuben und einschläfern.
Die Beschäftigung, die man für ein einsames Leben wählt, muß weder ermüdend noch langweilig sein; sonst haben wir vergebens darauf gerechnet, darin zu verweilen. Das hängt aber ab von dem besondern Geschmacke eines jeden. Der meinige verträgt sich gar nicht mit der Landwirtschaft. Wer sie liebt, muß sich mit großer Mäßigung darauf legen.
Conentur sibi res, non se submittere rebus. 13
Sonst ist's, wie Sallust es nennt, Knechtswerk. Sie hat Teile, die angenehmer sind; wie z.B. die Gartenpflege, wie solche Xenophon dem Cyrus zuschreibt, und es läßt sich ein Mittelweg denken zwischen dieser niedrigen, angestrengten und immerwährenden Sorge, die man an den Menschen wahrnimmt, welche sich ganz hineinwerfen, und zwischen der tiefen und äußersten Nachlässigkeit, die man an andern bemerkt, welche alles zugrunde und zu Boden gehen lassen:
Democriti pecus edit agellos
Cultaque, dum peregre est animus sine corpore velox. 14
Aber laß uns den Rat vernehmen, welchen der jüngere Plinius seinem Freunde Cornelius Rufus in Ansehung dieser Art von Einsamkeit erteilt: "Ich rate dir, in dieser fruchtbaren und fetten Einsiedelei, worin du bist, deinen Leuten die niedrige und verächtliche Aufsicht über die Landwirtschaft zu überlassen und dich aufs Studium der Wissenschaften zu legen, um von diesen etwas zu ernten, welches ganz dir eigen gehöre." Er versteht darunter den Ruhm im Sinne des Cicero, welcher sagt, er wolle seine Einsamkeit und Ruhe von öffentlichen Geschäften dazu anwenden, um sich durch seine Schriften die Unsterblichkeit zu erwerben.
Usque adeone
Scire tuum nihil est, nisi te sire hoc, sciat alter? 15
Soviel scheint billig zu sein, da man doch einmal davon spricht, sich der Welt zu entziehen, sie zu betrachten, als ob sie uns nichts weiter angehe. Diese Herren tun das aber nur halb; sie werben schon um einen Anhang, auf die Zeit, da sie nicht mehr auf der Welt sein werden. Die Früchte ihrer Bemühungen wollen sie gleichwohl noch dann von der Welt ziehen, wenn sie nicht mehr da sind. Das ist eine lächerliche Ungereimtheit.
Die Imagination, welche die Herzen derer, die aus frommer Andacht die Einsamkeit suchen, mit der Gewißheit der göttlichen Verheißungen des zukünftigen Lebens erfüllt, ist viel heiliger gestimmt. Ihr Verlangen ist auf Gott als auf das unendlich gütige und allmächtige Wesen gerichtet. Die Seele findet hier reichliche und freie Nahrung für ihre Wünsche. Die Leiden und Schmerzen gedeihen zu ihrem Vorteil, indem sie dafür ewige Gesundheit und unvergängliche Freuden erlangen, und die fleischlichen Begierden sind bald durch Enthaltung gedämpft und eingeschläfert; denn nichts unterhält sie stärker als die Befriedigung. Dieser einzige Zweck eines zukünftigen seligen und ewigen Lebens verdient mit Recht, daß wir den Ergötzlichkeiten und Gemächlichkeiten dieses unseres gegenwärtigen Lebens entsagen. Und wer seine Seele wirklich und anhaltend von diesem lebendigen Glauben und dieser festen Hoffnung erwärmen kann, der baut sich in der Einsamkeit ein so herrliches Freudenleben, daß kein andres damit zu vergleichen ist. Vom Rate des Plinius gefallen mir hingegen weder der Zweck noch die Mittel. Wir fallen dabei aus der Traufe in den Schlagregen.
Diese Beschäftigung mit den Büchern ist ebenso beschwerlich als eine jede andre und der Gesundheit ebenso zuwider, auf welche doch hauptsächlich Rücksicht zu nehmen ist. Und muß man sich auch von dem Vergnügen nicht einschläfern lassen, das man daran findet. Gerade das Vergnügen ist es, das dem Landwirt, dem Geizhals, dem Wollüstling, dem Ehrsüchtigen so schädlich wird. Die Weisen lehren uns genug, uns vor der Verräterei
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