Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
niederträchtigen, knechtischen, bübischen Gehorsam verlangt habe. Jaropolk, russischer Zar, beredete einen ungarischen Edelmann, den König Boleslaus von Polen zu verraten, und ihn entweder zu ermorden oder den Russen Gelegenheit zu verschaffen, ihm eine starke Schlappe anzuhängen. Dieser Ungar übernahm die Sache mit vieler Geschicklichkeit und diente dem König noch emsiger als zuvor, so daß er in seinen geheimen Rat und unter seine Treuesten aufgenommen wurde. Bei diesen Vorzügen und weil er die gelegene Zeit wahrnahm, da sein König abwesend war, verriet er den Russen Wisilicz, eine große und reiche Stadt, welche ganz verheert und zum Schutthaufen verkehrt wurde, wobei nicht nur alle ihre Einwohner ohne Unterschied des Geschlechts und Alters niedergemacht wurden, sondern auch noch ein Teil des umherwohnenden Adels, den er des Endes dahin versammelt hatte. Jaropolk, nachdem er seine Rache und seinen Zorn, welche gleichwohl nicht ohne Grund waren (denn Boleslaus hatte ihn stark und durch ein ähnliches Verfahren beleidigt), nun an der Furcht dieser Verräterei gesättigt und die Häßlichkeit derselben nackt und bloß vor sich sah und mit kaltem, nicht weiter von seiner Leidenschaft brausenden Blicke betrachtete, empfand darüber eine so starke Reue und einen so heftigen Unwillen, daß er ihrem Vollstrecker die Augen ausstechen und Zunge und Schamteile ausreißen ließ.
Antigonus überredete die Soldaten des Argyraspides, ihm den Eumenes, ihren obersten Befehlshaber, seinen Gegner, in die Hände zu liefern. Aber kaum hatte er solchen, nachdem sie ihn überliefert, töten lassen, als er selbst den Bevollmächtigten der göttlichen Gerechtigkeit vorstellen wollte, um ein so abscheuliches Verbrechen zu bestrafen, und die Verräter den Händen des Statthalters der Provinz mit dem ausdrücklichen Befehl übergab, sie zu töten und hinzurichten, auf welche Weise es auch geschehen möge. Dergestalt, daß von der ganzen großen Anzahl dieser Soldaten nicht ein einziger den Boden von Mazedonien wieder betrat. Je besser sie ihn bedient hatten, desto boshafter und strafbarer hielt er sie.
Der Sklave des P. Sulpicius, der den heimlichen Aufenthalt seines Herrn verraten hatte, wurde, freilich nach dem Versprechen des Sylla, freigelassen, aber um zugleich dem Versprechen der Staatsgerechtigkeit genugzutun, vom tarpejischen Felsen gestürzt.
Und unser König Chlodowig ließ die drei Bedienten des Cannacres aufhängen, anstatt ihnen die goldnen Waffen zu geben, die er ihnen versprochen hatte, als er sie überredete, ihren Herrn zu verraten. Man läßt die Verräter an den Galgen hängen und bindet ihnen die Beutel an den Hals, worin sich die Bezahlung ihres Bubenstücks befindet. Wenn man seinem zweiten und besondern Versprechen ein Genüge getan, so leistet man auch dem ersten und der allgemeinen Gerechtigkeit ein Genüge.
Als Mohammed der Zweite sich wegen Sicherstellung der Thronfolge, nach dieses Stammes Gewohnheit, seines Bruders entledigen wollte, bediente er sich dazu eines Offiziers, welcher denselben dadurch aus der Welt brachte, daß er ihn eine Menge Wasser auf einmal hinunterschlucken ließ, woran er erstickte. Als das geschehen war, übergab Mohammed den Mörder zum Versöhnungsopfer des Totschlagens der Mutter des Erwürgten (denn sie waren Brüder von einem Vater und zwei Müttern). Diese schnitt in seiner Gegenwart dem Mörder den Leib auf, griff hinein und riß ihm das Herz aus, welches sie den Hunden vorwarf. Selbst solchen Menschen, die im Grunde nichts taugen, kommt es süß vor, nachdem sie einmal Vorteil aus einer schlechten Handlung gezogen haben, einen Zug von Güte und Gerechtigkeit daran heften zu können, der sie nicht viel kostet und das Ansehen gibt, als ob ihr Gewissen zarter geworden sei und sie sich bessern wollten. Dazu kommt noch, daß sie die Werkzeuge solcher scheußlichen Untaten als Leute betrachten, die ihnen solche vorwerfen und daher durch ihren Tod die Zeugen und Mithelfer dieser schändlichen Ränke aus der Welt schaffen.
Oder wenn man vielleicht einem Verräter den Lohn seiner Mühe erteilt, um im Notfall für das Wohl des Staates ein solches außerordentliches und verzweifeltes Mittel wieder anwenden zu können, so hält derjenige, der diesen Lohn erteilt, den Verräter, wenn er es nicht selbst ist, für ein verruchtes Scheusal und verabscheut ihn noch weit mehr als selbst derjenige, an welchem er den Verrat verübte. Denn er greift ja die Bosheit des Verräters mit Händen,
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