Esswood House
als alles, das Aickman je geschrieben hatte, aber ich wollte die Story in größerem Maße als je zuvor aus ihren eigenen Rohstoffen wachsen lassen.
Angesichts meiner emotionalen Verfassung schien es so gut wie unvermeidbar, daß sich die Geschichte um ein verlorenes Baby drehen würde - in diesem Fall einen abgetriebenen Fötus -, das einen Elternteil heimsucht und ruft. William Standish, mein mehr als nur ein klein wenig verrückter Held, zwang seine Frau einst zu einer Abtreibung, weil er nicht ganz ohne Grund fürchtete, das Baby könnte nicht von ihm sein. (Jean Standish hatte eine Affäre mit einem Mann namens Smith. Wie die Hustenbonbons. Aber das Kind war von Standish, und das weiß er auch.) Dieses verlorene Baby verfolgt Standish das ganze Buch Esswood House hindurch. Die Ursache dieses Elends wird nie explizit verraten, sondern bleibt stets zwischen den Zeilen: sollte der Leser dahinterkommen, schön für ihn, dann ist er ein kluger Leser, aber es geht ja auch um die Folgen dieses Verlusts für Standish, nicht um den Verlust selbst.
Wie es bei solchen Dingen meistens so geht, wuchs die Story weit über die vierzig oder fünfzig Seiten hinaus, die ich dafür angesetzt hatte, und sie beschäftigte mich - zu meiner großen Überraschung und Freude - fast den ganzen Herbst und Winter hindurch. Ich stellte fest, daß ich ein Kammerspiel geschrieben hatte, eine Art Meditation über Sex, Gewalt und das Heilige, in der die einzige wirklich wichtige Figur sich am Ende des Romans in ein großes, dickes Baby verwandelt.
Meine sonst vorzüglichen und verständnisvollen Verleger reagierten ein wenig konsterniert auf dieses Objekt. Es hatte keine große Ähnlichkeit mit Koko . Tatsächlich hatte es mit gar nichts große Ähnlichkeit: Und es schien nicht ganz eindeutig zu sein. Was passiert wirklich in Esswood House, Peter? Warum dreht William Standish derartig durch? Was soll das alles mit dem »großen Satz«? Ich bekam die Art von Briefen, die mit zwei langen und wortreichen Absätzen voll Dankbarkeitsbekundungen beginnen, denen dann zwei Seiten Fragen folgen, von eins bis fünfundzwanzig durchnumeriert.
Na ja, gut, dachte ich, vielleicht ist alles ein wenig abgedreht. Vielleicht könnte ich einige Dinge etwas deutlicher herausarbeiten. Also arbeitete ich die Geschichte noch zweimal durch und fügte ein paar Hinweisschilder ein (allerdings verbarg ich sie hinter Sträuchern). Ich polierte den Stil auf, wenn ich feststellte, daß ich noch chaotischer als sonst war. Ich merzte Fehler aus. (In England werden Entfernungen, wie bei uns, in Meilen gemessen, nicht in Kilometern!) Die Story verwirrte die Leute bei NAL/Penguin USA immer noch mehr als nur ein wenig, aber irgendwann hörte mir dann auch jemand zu, als ich betonte, daß Mrs. God verwirrend sein sollte .
Ich mag beide Versionen meines Kammerspiels, die vorliegende und die in Houses Without Doors . Diese längere Fassung ist weitaus weniger zugänglich und sehr viel mysteriöser. Keine Version hatte am Ende auch nur entfernte Ähnlichkeit mit Robert Aickman, aber die Niederschrift dieser früheren Fassung half mir auf dem Weg in das Reich des Übersinnlichen - die innere Landschaft -, die zu bewohnen und zu kartographieren ich mir nun selbst zur Aufgabe gemacht habe, und ich werde Aickman für alle Zeiten dankbar dafür sein, daß er mich auf den Weg gebracht hat.
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