Esswood House
der Suche nach dem nächsten unvermeidlichen Ereignis auf in die weite Einsamkeit.
NACHWORT
Davon abgesehen, daß sie deutlich länger ist, unterscheidet sich diese Version von Mrs. God in tausend stilistischen und inhaltlichen Einzelheiten von der, die demnächst in meiner Storysammlung Houses Without Doors erscheinen wird. In mindestens einer Hinsicht ist sie »reiner« - das heißt, näher an dem, was ich ursprünglich beabsichtigt hatte. Sie präsentiert Mrs. God so, wie ich es ursprünglich wollte, als eine rätselhafte, bizarre, traumartige Erfahrung, in der die meisten gewohnten erzählerischen Hinweisschilder und Landkarten ungenau oder verborgen oder gar nicht erst vorhanden sind.
Ich begann wenige Monate nach Beendigung meines Romans Koko , einer höchst ambivalenten Erfahrung, mit der Niederschrift meiner »Gouvernanten-Geschichte«, wie ich sie damals noch nannte. Wenn man einen Roman beendet, ist das ein trauriges Erlebnis - eine ganze Welt und alle ihre Bewohner sind mit einem Schlag dahin -, und weil ich so lange an Koko geschrieben hatte, war meine Trauer besonders groß, sogar fast unerträglich. Ich erinnere mich an das Gefühl, als hätten mir Leute, die ich nicht besonders gut kannte, mein Baby weggenommen, mein RICHTIGES BABY, das Baby, das mich brauchte, und ich wußte nicht, wie sie sich darum kümmern würden . Das war so schrecklich, daß ich schnell etwas anderes schreiben mußte, aber ich war nicht annähernd bereit, meinen nächsten Roman zu beginnen. Daher wollte ich herausfinden, ob ich eine lange Geschichte, fünfzig Seiten oder so, über eine Gouvernante schreiben konnte, die ein entlegenes Landhaus besucht, um dort zwei sehr verstörte junge Menschen zu unterrichten und zu versorgen. Gleichzeitig sagte ich zu, ein Vorwort für eine Storysammlung von Robert Aickman mit dem Titel The Wine-Dark Sea zu schreiben.
Nach einer Weile stellte ich fest, daß die Story, die ich schreiben wollte, schon Henry James geschrieben hatte. Und ganz gleich, für wie klug und begabt ich mich auch halten mochte, es schien mir unwahrscheinlich, daß ich etwas Besseres als »The Turn of the Screw« zustandebringen würde. Die »Gouvernanten-Geschichte« mutierte zu einer Geschichte über einen Gelehrten mittleren Alters, der mit einem Forschungsstipendium ein englisches Landhaus mit einer berühmten Bibliothek besucht. Während ich diese Änderungen meiner ursprünglichen Story ausarbeitete, erstaunte mich zum wiederholten Male, wie eigentümlich das Werk von Robert Aickman doch ist: Ich hatte im Lauf der Jahre viel von Aickman gelesen, aber niemals soviel am Stück, doch gerade das half mir, den vagen Eindruck zu verbessern, wie einzigartig und bedeutend er war.
Aickman hielt sich einfach nicht an die Regeln. Er unterlief unbekümmert die Erwartungen des Lesers, denn er verweigerte konventionelle Höhepunkte, lineare erzählerische Zusammenhänge, Motivationen, realistische Situationen, Handlungsverläufe, die zu ordentlichen Abschlüssen führten, Erklärungen und so gut wie alles andere, das Leser, besonders Horror-Leser, nicht nur erwarten, sondern geradezu schätzen. Für mich war Aickman wahrhaft radikal, sein Genie rührte und begeisterte mich. Ich fühlte mich sogar an die Lektüre der frühen Gedichte von John Ashberry erinnert, die mich befreit und mir ermöglicht hatten, zu schreiben: Wie bei den Gedichten in The Tennis Court Oath , scherte sich auch Aickman in seinen Geschichten kein bißchen darum, daß sie einen literarischen und bourgeoisen Sinn ergaben, denn sie standen einfach über dieser Form von »Sinn« oder »Bedeutung«. Sie hielten sich ausschließlich an ihre eigenen Regeln; sie zwangen einen, genau darauf zu achten, wie die Sprache funktionierte, wie viele verschiedene Arten von »Sinn« ins Spiel kamen; und sie verwandelten jeden Aspekt der Story in eine andere Sprache, deren Syntax der Leser selbst entschlüsseln mußte.
Mir schien, daß es sich lohnen könnte, wenn ich auch einmal so etwas versuchen würde. Ich hoffte, ich könnte einen Teil der vollkommenen Makellosigkeit von Geschichten wie »The Inner Room« oder »Into The Wood« einfangen, wenn ich meine Story so entwickeln könnte wie diese, aus ihrem eigenen Unterbewußtsein und ohne auf herkömmliche erzählerische Strategien Rücksicht zu nehmen. Natürlich hatte ich fast zwanzig Jahre lang Klimmzüge mit erzählerischen Strategien gemacht, daher wußte ich, daß meine Geschichte weitaus konventioneller sein würde
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