Esther Friesner
Wie immer wir auch im einzelnen zu Zoltan stehen mochten, der - voller Glorie und nur zu sehr von seiner eigenen Wichtigkeit überzeugt - die mitternachtsblaue Kutte des höheren Studentengrads trug, waren wir uns doch alle darin einig, daß wir Velma haßten. Einmal zu oft hatte sie uns nämlich ihren Kürbismilchbrei serviert. Manche Frevel lassen sich eben nur noch mit Blut sühnen.
Zoltan schritt vor der sich windenden Köchin auf und ab und furchte dabei die hohe Stirn. Mit einem leichten Schreck wurde mir klar, daß der höchststehende Student der Akademie für Hochzauberei ja ganz genau wie unser höchster - und einziger - Lehrer aussah. Es war, als würde man einem sehr viel jüngeren Meister Thengor in Aktion zuschauen, ein ziemlich angsteinflößender Anblick. Denn wenn der alte Meister Thengor mir wegen meines allerneuesten Versagens eine Ohrfeige zu verpassen drohte, hatte ich wenigstens noch die Chance, ihm davonzulaufen. Meister Thengor liebte es nicht, seine magischen Kräfte für etwas so Banales - und Häufiges - wie dafür zu gebrauchen, mich für meine Fehler zu bestrafen. Ich hatte allerdings das Gefühl, daß Zoltan mich ohne zu zögern beim Davonlaufen mit einem Kraftstrahl niederstrecken würde, schon allein um sein Zielvermögen zu üben.
»Ich weiß nicht, Velma, ich weiß es einfach nicht«, meinte Zoltan gerade mit feierlichem Kopfschütteln. »Es sind finstere Wolken, die da über unserem Haus schweben. Es wurden böse Omen beobachtet.
Man hat sehr seltsame Vorzeichen gesichtet.«
»Das stimmt, Herr«, wimmerte die Köchin. »Mir sind drei Töpfe Sahne schlechtgeworden, einfach so, und die Hälfte unseres Kürbisvorrats ist plötzlich alle …«
Ein Blick Zoltans ließ sie sofort verstummen, bevor sie weiterplappern konnte. »Ich rede nicht von verdorbener Sahne, Weib!«
donnerte er. »Ich spreche vom bevorstehenden Tod des größten Hexers, den Orbix je gesehen hat!«
Ein Donnergrollen rumpelte durch den riesigen Saal.
Fünf der Kristallüster-Irrwische fielen in Ohnmacht und erloschen.
Alle anderen Studenten gaben ihr Bestes, um bei dem Lärm nicht in Zittern zu verfallen. Ich selbst machte mir gar nicht erst die Mühe: Ich fuhr einfach zusammen und kringelte mich zu einem kleinen Knäuel zusammen, obwohl ich doch wußte, daß Zoltan mit diesem Donnern nur seine Worte unterstreichen wollte.
Theaterhexerei - Zeugs wie Donner und Feuerwerk und unsichtbare Trompeten und explodierende Tauben eben - ist das leichteste Fach auf der Akademie, einfach genug, daß auch Scharlatane und Hochstapler sie meistern können. Ich habe zwar jedes Mal, wenn ich es belegte, eine Sechs bekommen, aber Meister Thengor hatte mir in diesem Semester eine Vier minus versprochen, sofern ich danach einen Bluteid des Inhalts zu unterschreiben bereit wäre, nie und nimmer, selbst in allergrößter Gefahr nicht, auch nur in Erwägung zu ziehen, diese Kunst jemals in der Öffentlichkeit vorzuführen.
Velma Chefköchin brach in Tränen aus. Mir selbst war genauso zumute. Ein sterbender Meister Thengor bedeutete das Ade für meine versprochene Vier minus. Und dabei wäre Mutter doch so stolz auf mich gewesen.
Die großen Türen mit ihren Messingplatten stöhnten und gingen schwungvoll auf. Eine kleine, matte Frau kam hervorgeschlurft.
Obwohl ich sie erst ein- oder zweimal zuvor zu Gesicht bekommen hatte, zu jenen besonderen Anlässen, da König Steffan die Akademie besuchte, erkannte ich sie doch sofort als Edeldame Inivria, Meister Thengors Frau.
Da ich ohnehin schon am Boden lag, preßte ich das Gesicht gegen die kalten Fliesen des großen Saals und bedeckte meine Augen.
Trotzdem war ich mir nicht sicher, daß ich der Frau des Meisters damit gebührende Ehre erwies, und so spähte ich zwischen den Fingern hervor, um nachzusehen, was die anderen taten. Zu meiner Verlegenheit mußte ich feststellen, daß die anderen Akademiestudenten sich darauf beschränkten, sich anmutig aus der Hüfte zu verneigen. Die fortgeschritteneren Schüler, die bereits ihre Spitzhüte verliehen bekommen hatten, nahmen diese ab und machten damit elegante, ausladende Gesten vor der Dame. Zoltan nickte nur und gewährte ihr ein rätselhaftes Lächeln.
»Bist dir deiner Sache ja ganz schön sicher, wie?« höhnte Inivria.
»Sicher genug«, erwiderte Zoltan geschmeidig.
Sie lachte ihn an und offenbarte dabei einen makellosen Satz Zähne, der vor ihrer dunkelbraunen Haut nur um so weißer wirkte. Früher mochte sie einmal schön
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