Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
Mutter an und sagst ihr, dass ich dich später nach Hause bringe.“
Olivia strahlte ihn erleichtert an. „Ok, bis dann.“
Er lachte fröhlich und wuschelte ihr gut gelaunt über die Haare. Sie waren beide froh, dass es jetzt wieder so unkompliziert zwischen ihnen lief.
Mit diesem Hochgefühl schlenderte Olivia in die nächste Stunde und konnte sich dank der Ablenkung durch Sven etwas besser auf den Unterricht konzentrieren. Ihre Nervosität meldete sich erst wieder, als sie in der Mittagspause mit Tatjana in die Mensa ging.
Nachdem sie sich das Essen geholt und einen freien Platz gefunden hatten, spähte Olivia durch den gesamten Raum, ganz unauffällig – dachte sie zumindest.
Doch als sie zufällig in das Gesicht ihrer Freundin schaute, die sie mit einem wissenden Lächeln beobachtete, fühlte sie sich sofort ertappt. Verlegen strich sie sich die Haare hinter ihr Ohr.
„Was ist?“
„Das wollte ich dich gerade fragen“, antwortete Tatjana, zog ihre Augenbrauen vielsagend hoch, verschränkte ihre kurzen Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.
Olivia setzte einen unschuldigen Blick auf und zuckte mit den Schultern. „Nichts! Was soll mit mir sein?“
Daraufhin fing ihre Freundin lautstark an zu lachen und meinte kopfschüttelnd: „Du müsstest dich mal sehen! Dann würdest du so was nicht behaupten.“
Am liebsten wäre Olivia im Boden versunken. Sie hatte das Gefühl, dass sämtliche Gespräche in ihrer Nähe abrupt abrissen und sich alle Augenpaare auf sie richteten. Sie starrte Tatjana peinlich berührt an, vergewisserte sich, dass die anderen sie nicht wirklich beobachteten, lehnte sich nach vorn und fragte mit gedämpfter Stimme: „Was meinst du damit?“
Tatjana beugte sich ebenfalls über den Tisch und flüsterte: „Du kommst total verwirrt in die Schule, bist kaum ansprechbar und schaust dich ständig um, als ob du jemanden suchen würdest. Meinst du, ich hätte diesen hübschen Kerl, der heute Morgen mit dir an der Tür stand, nicht gesehen?“
Olivia biss sich auf die Unterlippe. Ach, er hatte gut ausgesehen? Sie konnte sich gar nicht an sein Gesicht erinnern, sondern nur an seine Augen. Tatjana war wohl doch aufmerksamer, als sie ihr zugetraut hatte.
Genervt verdrehte Olivia ihre Augen, lehnte sich wieder zurück und nahm ihr Getränk in die Hand, um die Situation zu überspielen. Sie starrte in ihr Glas und war sich nicht sicher, wie sie da-
rauf reagieren sollte. Tatjana schien ihr Unbehagen hingegen nicht besonders zu interessieren, denn prompt begann sie, Olivia mit Fragen zu überhäufen.
„Los, sag schon! Wer war das? Woher kennst du ihn? Wo kommt er her? Ist er hier auf der Schule? Wie heißt er? Mann, war der süß!“
Verdammt, jetzt steckte sie in der Klemme!
Es gab für Olivia nur zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren.
Entweder sie gab ihr Interesse an dem Unbekannten zu und erzählte Tatjana alles. Oder aber sie leugnete es und riskierte, dass Tatjana sauer auf sie wurde.
Bei der ersten Möglichkeit handelte es sich um einen dieser Freundschaftsbeweise, die ihr besonders schwerfielen, weil es um ihre eigenen Gefühle ging. Würden sie jemals diesem Fremden gemeinsam begegnen, war ihr jetzt schon klar, dass sich Tatjana auf irgendeine Art auffällig benehmen und sie selbst vor Scham im Boden versinken würde. Andererseits würde sie Tatjana verletzen, wenn sie nichts sagte, und das konnte sogar das Ende ihrer Freundschaft bedeuten, denn eigentlich hatte man vor seiner besten Freundin keine Geheimnisse. Diese Art von Vertrauen war schließlich genau das, was eine Freundschaft ausmachte.
Für Olivia gab es jedoch kaum einen Zweifel daran, für welchen Weg sie sich entscheiden würde. Sie schaute Tatjana ernst in die Augen und sagte abweisend: „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“
Tatjanas Lächeln verschwand und ein enttäuschter Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht.
„Dann nicht“, meinte sie offensichtlich verletzt, zuckte mit den Schultern, schaute in eine andere Richtung und blieb den Rest des Tages recht wortkarg.
Nach der letzten Stunde ging Olivia zum Schülerparkplatz. Natürlich hielt sie wieder Ausschau nach dem Besitzer dieser unvergesslichen Augen, hatte aber auch dieses Mal kein Glück. Stattdessen steuerte sie auf Svens Wagen zu, sobald sie ihn entdeckt hatte.
Ihr Bruder saß bereits hinter dem Lenkrad und spielte an seiner Musikanlage herum. Sie ging zur Beifahrertür, öffnete diese und warf sich frustriert auf den Sitz.
Sven grinste
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