Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
sie breit an, hielt eine selbstgebrannte CD hoch und schob sie in den Player. Augenblicklich ertönte die Musik von Olivias Band, die ein Freund von Colin im Proberaum mit ihnen aufgenommen hatte und die bei Myspace zum Download freigegeben war.
Mit aufgerissenen Augen rief Olivia: „Oh nein! Bitte nicht!“
Sven drehte die Musik aber noch lauter und ließ genüsslich die Fenster runter. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er sich für die Funkstille zwischen ihnen ein wenig an ihr rächen wollte. Lachend fuhr er los und amüsierte sich über die Reaktion seiner Schwester.
Olivia lief hochrot an und versuchte verzweifelt, die CD zu stoppen. Jedoch versagte sie auf ganzer Linie und versank entmutigt in ihrem Sitz, die Hände vor das Gesicht geschlagen, damit sie niemand erkannte.
Um auf die Hauptstraße zu gelangen, fuhren sie an der Bushaltestelle, an der Olivia sonst immer einstieg, vorbei und mussten kurz am Ende der Straße halten. Unzählige ihrer Mitschüler standen dort.
Glücklicherweise endete der erste Song in diesem Moment und es entstand eine Pause, bis der Nächste begann. Sie nahm ihre Hände hinunter und sah Sven flehend an. „Bitte, mach wenigstens die Fenster wieder hoch oder die Musik leiser. Die wollen das bestimmt nicht hören!“ Dabei zeigte sie mit einer Hand auf die Mitschüler, schaute selber kurz in ihre Richtung und erstarrte.
Da stand er, einfach so, und wartete auf den Bus.
Vielleicht sollte sie aussteigen und auch mit dem Bus fahren?
Doch in diesem Moment begann das neue Lied auf der CD. Zu Beginn war ein Klavier zu hören, das mit einer kurzen Melodie den Song einleitete. Erst nach einigen Takten setzte Olivias Gesang ein.
Als folgte er einem dringenden Ruf, hob der Fremde plötzlich den Kopf und schaute sich suchend um. Sein Blick drohte ihren zu treffen, doch das ging Olivia entschieden zu weit. Diese vergangenen Momente waren zwar das Wundervollste, was sie je erlebt hatte, aber drei davon an einem Tag waren einfach zu viel!
Noch immer von ihren heftigen Gefühlen verunsichert, drückte sie sich in ihren Sitz, blickte zu Boden und ließ ihre Haare ein wenig ins Gesicht fallen, um es damit zu verdecken. Ihr Magen krampfte sich zusammen, ihr Herz pochte wild, und sie atmete flach, in der Hoffnung, sich irgendwie in Luft aufzulösen.
Vorsichtig warf sie einen Blick durch die Haarsträhnen und beobachtete, wie ihr Bruder seinen Arm hob und jemanden grüßte. Kannte er den Typen etwa?
Den Rest des Nachmittags verbrachten Olivia und Sven bei ihm zu Hause und fuhren später zu seinem Freund. Der hatte einen eigenen Radiosender im Internet aufgezogen und war ständig auf der Suche nach aktuellen Infos zu Events aus der Umgebung. Nachdem Sven seine Schwester vorgestellt und die CD zu ihm hinübergeschoben hatte, bestand sein Freund darauf, einen Song von ihrer Band zu spielen und den bevorstehenden Auftritt anzukündigen. Olivia hatte keine Ahnung, ob und wie viele Leute sich so etwas anhörten, dennoch ließ sie sich zu einem kurzen Interview überreden und hatte eine Menge Spaß an diesem Nachmittag!
Abends im Bett ließ sie sich auf die Kissen fallen und begann darüber nachzudenken, was für ein verrückter Tag hinter ihr lag.
Die Zeit mit Sven war wirklich toll gewesen, und sie nahm sich vor, künftig mehr mit ihm zu unternehmen.
Der Streit mit Tatjana warf allerdings einen Schatten auf ihre Erlebnisse, und Olivia beschloss, ihn gleich am nächsten Tag aus der Welt zu schaffen. Manchmal wurde einem erst bewusst, wie wichtig eine Freundschaft war, wenn sie einen Riss bekam. Egal, wie klein er war.
Während ein Schwarm aufwirbelnder Schmetterlinge in ihrem Bauch zu tanzen begann, ließ sie vorsichtig ihre Gedanken zu dem wirklich aufregenden Teil des Tages gleiten. Unwillkürlich stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen, das immer breiter wurde. Olivia versuchte, sich ein Bild von dem Fremden in Erinnerung zu rufen, doch es fiel ihr unwahrscheinlich schwer. Jener geheimnisvolle Augenblick, in dem sie scheinbar auf diese unbeschreibliche Weise mit ihm verbunden gewesen war, hatte so eine mächtige Wirkung auf sie gehabt, dass sie sich an kein Gesicht mehr erinnern konnte.
Wann sie ihn wohl wiedersehen würde?
Ihre Wangen glühten vor Aufregung und sie griff nach ihrem kühlen Kopfkissen, um es darauf zu pressen. Dabei lachte sie vor sich hin.
Hoffentlich am nächsten Morgen.
Zur selben Zeit, am selben Ort.
Lenno
Dichter Nebel hüllte die Straßen ein, durch die
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