Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
ließ. Allein dieser Moment war es wert gewesen, diese anstrengende Verwandlung vollzogen zu haben!
Während Lenno sie nur widerwillig und zögernd zurück auf den Boden stellte, hauchte sie ihm einen zaghaften Kuss auf sein Ohr, ohne dass die Männer diese Zärtlichkeit mitbekamen. Er betrachtete sie überglücklich und der goldenen Schimmer glänzte unaufhörlich in seinen Augen.
„Ich bin gleich zurück“, sagte er plötzlich laut und konnte dabei den Blick nicht von ihr nehmen. Olivia brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass er damit die Männer meinte.
„Komm mit!“, flüsterte Lenno ihr zu, ergriff ihre Hand und zog sie zügig aus dem Raum.
Kaum waren sie im Gang, zog er sie zu sich, nahm ihr Gesicht in seine Hände und schaute sie aufmerksam an. „Geht es dir gut?“
Als Olivia diese Frage nur mit einem zaghaften Zucken ihrer Schultern beantwortete, wurde Lenno ernst und betrachtete sie besorgt. Allerdings veränderte sich sein Gesichtsausdruck schnell wieder und zeigte ihr, dass er sich kaum zusammenreißen konnte, sie nicht auf der Stelle zu küssen. Mit seiner Hand fuhr er seitlich durch ihre Haare, näherte sich ihrem Gesicht, während in ihrem Bauch Tausende von Schmetterlingen gleichzeitig aufstoben und wild umherflatterten. Jedenfalls fühlte es sich für Olivia so an. Doch Lenno zögerte und sein Blick wanderte an ihr vorbei in die Tiefen des Ganges, den sie hinter ihrem Rücken noch nicht einmal wahrgenommen hatte. An dem abenteuerlustigen Funkeln in seinen Augen erkannte sie, dass er irgendetwas Verbotenes ausheckte, was nicht gerade zur Beruhigung ihres inneren Aufruhrs beitrug.
„Wir gehen jetzt zu mir! Da sind wir ungestört. Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht erwischt werden“, sagte er und zuckte amüsiert mit seinen Augenbrauen. Vor Aufregung konnte Olivia nichts anderes erwidern als ein kurzes Nicken, und schon packte Lenno sie an ihrer Hand und zog sie hinter sich her.
Fast unbehelligt kamen sie durch verschiedene Gänge und mussten sich lediglich zweimal verstecken, um nicht entdeckt zu werden. Offenbar war es verboten, sich als weibliches Mitglied dieser Gemeinschaft in diesem Teil der Höhle aufzuhalten. Olivia dachte sich aber nicht viel dabei und lief lautlos kichernd hinter ihm her. Was sollte schon passieren?
Lennos Unterkunft sah fast genauso aus wie der Raum, in dem sie die letzten Tage verbracht hatte. Auch dort befand sich in einer Nische leicht erhöht eine Schlafstelle, die mit Fellen bedeckt war. Lenno setzte sich auf deren Kante und zog Olivia an beiden Händen zu sich. Sie stand einen Schritt von ihm entfernt und sah sich neugierig um. Es gab nur wenige Dinge, die er hier aufbewahrte. Vermutlich hielt dieses Volk nicht viel von persönlichem Besitz. Die Sachen, die Olivia entdeckte, waren Gegenstände für die Jagd, Geweberollen, Kleidung und ein Rucksack. Darüber hinaus ein Handy. Es lag neben seiner Schlafstelle und Olivia runzelte verblüfft die Stirn.
Lenno war wohl ihrem Blick gefolgt, zuckte mit der Schulter und sagte: „Ich weiß auch nicht wieso, aber als ich hier ankam, hatte ich es noch in meiner Hosentasche. Manche Dinge kann man einfach mitnehmen, die allermeisten jedoch nicht.“
Olivia ließ ihre Augen weiter über seine Habseligkeiten wandern und blieb schließlich an seinem besorgten Blick hängen.
„Wie geht es dir?“, fragte Lenno ein zweites Mal vorsichtig und wartete aufmerksam ihre Antwort ab.
Wieder wich sie seiner Frage mit einem Achselzucken aus.
„Hat Nova dir mein Geschenk gebracht?“, drängte er weiter und sah sie derart erwartungsvoll an, dass sie lachen musste.
Es war nur ein gehauchtes Lachen, denn Olivia hatte seit Tagen nicht mehr gesprochen und war bereits daran gewöhnt, sich zurückzunehmen. Jetzt zeigte sich, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, nicht sofort loszuplappern. Beim Klang ihrer Stimme zuckte Lenno zusammen und der goldene Schimmer glühte in seinen Augen auf. Sanft berührte sie mit ihren Fingerspitzen die zarte Haut unter seinen Augen und bejahte seine Frage mit einer leichten Kopfbewegung und einem zärtlichen Lächeln.
„Du hast mir so unendlich gefehlt, ich konnte es ohne dich einfach nicht mehr aushalten“, gab er zu, während er sie vorsichtig zu sich zog, um die letzte Distanz, die zwischen ihnen lag, ebenfalls zu überwinden. Olivia schloss behutsam sein Gesicht in ihre Hände, genoss seine Berührungen und spürte im nächsten Moment seine weichen Lippen auf ihren.
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