Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
ging Olivia durch einen kurzen, dunklen Gang, hinter dem sich ein weitreichender Höhlenraum auftat. Ihr Herz hämmerte so heftig gegen ihre Brust, dass sie glaubte, ihre Umgebung würde dieses Trommeln hören. Der Raum war mindestens zehnmal größer als der, in dem sie sich während ihrer Rückverwandlung aufgehalten hatte. Unsicher blieb sie zunächst direkt am Eingang stehen.
Genau auf der anderen Seite des Raumes erblickte sie eine Gruppe von vier Männern, die um einen Felsblock versammelt war und sich intensiv mit etwas befasste, das in ihrer Mitte lag. Lenno stand seitlich vom Fels an der linken Seite, hatte sich leicht nach vorn gebeugt und auf seine Hände abgestützt. Olivia vermutete, dass es eine Art Karte war, auf die er kurz mit seinem Finger zeigte. „Da könnte eine Schwachstelle sein“, sagte er und löste damit eine weitere Diskussion darüber aus, ob er recht hatte oder nicht.
Olivia genoss es einen Moment lang, Lenno unbemerkt zu beobachten. Sie vernahm kein einziges Wort von dem, worüber die Männer diskutierten, so sehr war sie gebannt von seinem Anblick. Er trug eine halblange, geschnürte Hose und eine ebensolche Weste, die offensichtlich aus irgendwelchen Tierhäuten gefertigt waren, ähnlich wie ihr Kleid.
Die vier waren so in ihre Diskussion vertieft, dass sie ihre Umgebung völlig ausgeschaltet hatten. Wie sollte Olivia sich aber bemerkbar machen, wenn sie nicht sprechen durfte?
Zögernd ging sie auf die Gruppe zu, den Blick fest auf Lenno gerichtet. Als sie etwa in der Mitte des Raumes angelangt war, wurde der Mann ihr direkt gegenüber auf sie aufmerksam und starrte sie verwirrt an. Sie grüßte ihn mit einem Nicken, das er erwiderte. Das brachte Olivia zum Schmunzeln. Offensichtlich unterschieden sich die Gepflogenheiten dieser Welt gar nicht so sehr von denen in ihrer.
Nach und nach verstummten alle Gespräche und die Blicke der Männer richteten sich auf sie. Olivia blieb in einiger Entfernung stehen, knabberte nervös an ihrer Unterlippe herum und strich sich verlegen ihre Haare hinter die Ohren.
Na, hoffentlich vergaßen diese Männer nicht ihre Manieren. Aus Fantasyfilmen wusste sie, dass der erste Kontakt mit einer anderen Spezies genau in dieser Konstellation für einen normalen Menschen nicht immer besonders glimpflich endete. Sie hielt die Luft an und ihr Herz raste mal wieder in Höchstgeschwindigkeit.
Irritiert von der Reaktion des Ersten, schaute Lenno ebenfalls in ihre Richtung und sah sie entgeistert an. Er schien nicht sofort seinen Augen trauen zu wollen und zweifelte offensichtlich daran, wen er dort tatsächlich sah. Langsam richtete er sich auf, hielt inne und starrte sie bewegungslos an. Lediglich sein Blick wanderte an ihrem Körper hinunter und wieder hinauf und hinterließ eine Spur, unter der ihre Haut zu prickeln begann.
Olivia stand barfuß und ohne den blassesten Schimmer, was sie nun tun sollte, mitten in diesem ausladenden Raum. Dabei kam es ihr vor, als dehnte dieser sich immer weiter aus, während sie selbst stetig kleiner zu werden schien, bis sie irgendwann einfach verschwinden würde.
Nervös verlagerte sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen, legte aus Verlegenheit den Kopf leicht zur Seite, führte ihre Hand in ihren Nacken, ohne großartig darüber nachzudenken, und berührte sanft ihre Markierung.
Lennos Augen folgten ihrer Hand, und als ob erst diese kleine Geste ihm bewusst machte, dass sie wirklich dort stand, entspannten sich seine Gesichtszüge. Ein Lächeln stahl sich dort hinein und der goldene Schimmer huschte durch seine Augen. „Olivia“, flüsterten seine Lippen und lösten damit den Knoten auf, der sich vor Anspannung in ihrem Magen gebildet hatte.
Gleichzeitig setzten sich Lenno und Olivia in Bewegung und vergaßen für einen Moment alle anderen in diesem Raum. Während sich ihre Arme um seinen Hals legten, hob Lenno sie hoch und drückte sie fest an sich, sodass es ihr fast den Atem raubte. Als ob keiner von ihnen den anderen jemals wieder loslassen wollte, verharrten sie eine kleine Ewigkeit in dieser Umarmung, und Olivia versuchte, so viel von Lenno in sich aufzunehmen wie irgend möglich. Seine Berührungen auf ihrem Körper, seinen Atem auf ihrer Haut, seinen Herzschlag an ihrer Brust, einfach alles, was ihr versicherte, dass sie ihn wahrhaftig in ihren Armen hielt. Gierig sog ihr Körper seine ureigene Wärme auf, die augenblicklich ihr aufgewühltes Herz beruhigte und sie wieder vernünftig durchatmen
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