Eternally - Cach, L: Eternally
dunklen Tunnels des Erwachsenwerdens erschienen. Seit einer Weile kam es ihr jedoch so vor, als würden bis dahin noch tausend Jahre vergehen. Die drei Jahre, die sie noch zur Schule gehen musste, konnten genauso gut drei Jahrzehnte sein. Die Tatsache, dass sie ihr derzeitiges Leben nicht ändern konnte, ließ sie am Rand eines tiefen Abgrunds der Verzweiflung taumeln. Wenn sich nicht bald etwas änderte, würde sie hinunterstürzen.
Doch es gab eine kleine Hoffnung, wie sie diesem Abgrund entkommen konnte. Im Juli hatte sie von der Fortuna-Schule, einem Mädcheninternat in Frankreich, eine Zufalls-E-Mail bekommen. Sie hatte noch nie von der Schule gehört und nahm an, dass man ihre E-Mail-Adresse von einem Brieffreunde-Service hatte, bei dem sie sich im Jahr zuvor, als sie Französisch belegt hatte, registriert hatte. (Leider hatte die französische Briefpartnerin ihre Bemühungen um Brieffreundschaft nach einer einzigen E-Mail von Caitlyn, die voller Fehler gewesen war, aufgegeben; Französisch gehörte leider nicht zu Caitlyns Stärken.)
Das Mädcheninternat lud sie ein, seine Website zu besuchen und sich um eine Zulassung und ein Stipendium zu bewerben. Sie hatte ungläubig gelacht, als sie das mit dem Stipendium las; offenbar hatte man dort keine Ahnung von ihren Noten. Aber es konnte sicher nicht schaden, sich die Website anzuschauen.
In dem Moment, in dem sich die Seite öffnete und sie das Foto der Burg sah, in der die Schule untergebracht war, das Château de la Fortune, fühlte sich ihre Seele zur Fortuna-Schule hingezogen. Das Bild der Burg, die in Südwestfrankreich hoch auf einem Felsvorsprung mit Blick auf den Fluss Dordogne stand, überzeugte sie, dass dieses französische Mädcheninternat vielleicht das Einzige war, was sie glücklich machen konnte.
Natürlich gab es praktisch keine Chance, aufgenommen zu werden. Und noch weniger eine Chance, dass sie ein Stipendium bekam. Für ihren Vater, der als Lkw-Fahrer arbeitete, war es unmöglich, die jährlichen Schulgebühren, die auf der Website aufgelistet waren, zu bezahlen: Es war doppelt so viel, wie er in einem Jahr verdiente.
Und trotzdem … Es war, als riefe ihre Seele ihr zu, dass sie es zumindest versuchen musste.
Also hatte sie sich heimlich beworben. Manche Hoffnungen hegte man besser im Stillen, wo die Bemerkungen von anderen sie nicht trüben konnten und wo man eine Enttäuschung ohne die mitleidigen Blicke von Freunden allein bewältigen konnte.
Seit dem Tag, an dem sie ihre Bewerbung abgeschickt hatte, hatte sie sich vor einem Brief in der Post, in dem stehen würde, ob sie angenommen war oder nicht, gleichzeitig gefürchtet und ihn sehnlichst erwartet. Inzwischen waren schon zwei Monate vergangen, und es war zu einer Tortur geworden, am Nachmittag die Post durchzusehen. »Kein Brief« bedeutete, dass die Hoffnung noch einen weiteren Tag leben konnte, aber es bedeutete auch eine weitere Nacht der Angst vor einer unabwendbaren Enttäuschung.
»Bist du so still, weil du an Pete denkst?«, fragte Jacqui und riss Caitlyn aus ihren Gedanken.
»Was?« Sie waren in Caitlyns Straße angekommen. Während der letzten Viertelstunde hatte sie kein einziges Wort von der Unterhaltung ihrer Freundinnen mitbekommen.
»Da hat sich jemand in romantischen Tagträumen verloren«, sagte Jacqui.
»Ja, genau.«
Sarah und Jacqui lachten und winkten zum Abschied. »Bis bald«, sagte Sarah.
»Ja. Bis morgen.« Caitlyn ging die letzten paar hundert Meter allein. Sie dachte an den Brief, der vielleicht daheim auf sie wartete, vielleicht aber auch nicht.
Unglück, Rettung oder Unentschieden: Das waren die drei Möglichkeiten, die der Postbote jeden Tag bis auf Sonntag in ihren Briefkasten stecken konnte.
Was würde es heute sein?
Caitlyn betrat das Haus und stieg über den unvermeidlichen Haufen aus Jacken, Sportklamotten und Schuhen ihrer Brüder, der den Eingang verstopfte. Es war niemand zu Hause, aber sie wusste, dass die Post von heute auf dem Küchentisch lag, so wie immer.
Auf einem Stapel Kataloge lagen mehrere weiße Briefumschläge. Caitlyn biss sich auf die Unterlippe, nahm die Umschläge in die Hand und zwang sich, sie durchzusehen.
Arztrechnung.
Irgendeine Mitteilung von der Grundschule ihrer drei jüngeren Halbbrüder.
Stromrechnung.
Kreditkartenangebot.
Ein letzter Umschlag. Sie drehte ihn mit klopfendem Herzen um.
Kontoauszüge.
Erleichtert ließ sie die Schultern sinken. Ihre Hoffnungen waren vor dem Todesurteil bewahrt worden,
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