Eternity
deinem Wohnzimmer. Ich wusste es vom ersten Moment an. Du verbirgst etwas …«
»Ich verberge etwas?«
Natürlich wusste sie, wovon er redete. Sie log schon gewohnheitsmäßig, weil sie es immer tat.
»Ja, du«, antwortete er. Er hielt sie an den Schultern. »Ich weiß es. Ich hätte gar nicht erst auf den Gedanken kommen dürfen, dich täuschen zu wollen. Gerade dich nicht. Aber ich war so aufrichtig zu dir, wie ich sein konnte, ohne dich … zu Tode zu ängstigen. Du jedoch, du … warst nicht ehrlich mit mir. Irgendwas ist mit dir. Ich habe es von Anfang an gespürt. Ich … ich …«
»Was?«, fragte Meena.
Ihr Herz klopfte heftig. Sie wusste, wie gefährlich es war, ihn in ihr Zimmer zu lassen, geschweige denn in ihr Herz. Jeden Moment könnte Alaric hereinplatzen, und Jon käme ihm vielleicht hinterhergerannt. Und wenn dann das Schlimmste passierte, war es ihre Schuld …
»Seit ich dich heute früh verlassen habe«, sagte Lucien, »habe ich das seltsame Gefühl zu wissen, wie die Menschen, mit denen ich in Kontakt komme, sterben werden. So etwas habe ich noch nie erlebt. Erst seit … erst seit ich mit dir zusammen bin.«
Meena starrte ihn an. Zum ersten Mal seit sie sprechen konnte, hatte es ihr die Sprache verschlagen.
»Der Mann in deinem Wohnzimmer hat dir bestimmt einige sehr plastische Dinge über mich erzählt. Vieles davon ist wahrscheinlich sogar wahr. Ich bin schon sehr lange, was ich bin«, fuhr Lucien fort. »Aber ich habe niemals so etwas empfunden. Nicht, bis ich … na ja, bis wir zusammen waren. Würdest du mir also bitte erklären, was los ist? Ich glaube nämlich, es hat etwas mit deinem Geheimnis zu tun, mit dem, was du verbirgst. Deswegen kann ich auch deine Gedanken nicht gut lesen, und deswegen identifizierst du dich wahrscheinlich so
stark mit Johanna von Orléans d’Arc, die Stimmen hörte. Und genau das empfinde ich auch. Ich höre Stimmen.«
Meena stieß einen zitternden Seufzer aus. Im Wohnzimmer hörte man Autos in Stereo zusammenkrachen. Der Film näherte sich seinem Ende.
»Es liegt an mir«, sagte sie. »Wenn du das nächste Mal gegessen hast, geht es wahrscheinlich wieder weg.«
Er packte sie fester. Besonders sanft ging er nicht mit ihr um. »Was soll das heißen?«, fragte er.
»Du hast mein Blut getrunken«, erinnerte sie ihn. »Allerdings nicht viel, deshalb ist es wahrscheinlich schnell wieder weg. Du musst lernen, besser aufzupassen. Man ist, was man isst.«
43
Samstag, 17. April, 2.00 Uhr
Apt. 11 B
910 Park Avenue, New York
Lucien starrte sie an. Ihr Gesicht war blass und entschlossen.
»Du kannst vorhersagen«, murmelte er, nicht ganz sicher, ob er sie richtig verstanden hatte, »wie jemand sterben wird?«
»Na ja, nicht bei jedem«, sagte Meena. »Bei dir nicht. Aber du bist ja auch schon tot.«
Er hielt noch immer ihre Schultern und schaute sie nur an.
»Und deshalb musst du auch gehen«, fuhr Meena mit ihrer leicht heiseren Stimme fort. »Ich weiß nämlich, dass du den Mann von der Geheimen Garde töten wirst. Und auch Jon.«
Ihre Stimme brach, als sie den Namen ihres Bruders aussprach.
Lucien kam sich vor, als ob der Donner, der draußen zu hören war, in ihm grollte. Er schüttelte den Kopf, um ihre Worte erfassen zu können.
»Nein«, sagte er. »Meena, ich habe seit Jahrhunderten keinen Menschen mehr getötet, und deinen Bruder und sonst jemanden, den du liebst, würde ich nie töten.«
Obwohl es im Zimmer dunkel war, sah er die Tränen wie Diamanten in ihren Augen glitzern.
»Doch, du wirst es tun«, erwiderte sie.
»Meena«, sagte er. Sein Herz, von dem er geglaubt hatte, es sei mit seiner Seele gestorben, erwachte zum Leben. »Was du siehst … deine Visionen … das muss sich nicht unbedingt erfüllen.
Oder? Sonst würdest du doch die Leute gar nicht erst warnen.«
»Nein.« Meena wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Aber du bist ein Vampir, Lucien. Und nicht nur irgendein Vampir, sondern der Herrscher aller Vampire, der Prinz der Finsternis. Soll ich im Ernst darauf vertrauen, dass du diesem Mann oder meinem Bruder nichts antust? Noch nicht einmal zur Selbstverteidigung? Sie wollen dich beide töten. Alaric Wulf hat ein riesiges Schwert, und …«
Lucien zog sie an sich und drückte seine Wange gegen ihre.
»Schscht«, sagte er. »Was du gesehen hast, ist nur eine mögliche Zukunft.«
»Bis sich etwas ändert«, erwiderte Meena und stieß ihn weg. »Und du musst auf jeden Fall für immer gehen. Mary
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