Eternity
müde nach dem langen Tag und hoffte, dass heute wenigstens einmal etwas zu ihren Gunsten ausgehen würde.
Und das bedeutete, in aller Ruhe bis in den elften Stock fahren zu können, ohne ihrer Nachbarin Mary Lou zu begegnen.
Das Gebäude in der Park Avenue, in dem Meena wohnte, war elegant, mit einer glänzenden Messingtür, einer Marmorlobby mit einem Kristalllüster, einem Pförtner und einer Tiefgarage, für deren Parkplätze die Hausbewohner monatlich $ 500 zusätzlich zahlten (obwohl Meena das Geld lieber in eine Marc-Jacobs-Tasche mit einem Edelsteindrachen gesteckt hätte … wenn sie sich $ 500 im Monat leisten könnte, was nicht der Fall war).
Ihre Wohnung jedoch passte nicht so ganz in das elegante Gebäude. Sie musste dringend frisch gestrichen werden; die Deckenleisten bröckelten ab; der Parkettboden musste abgezogen werden; die antiken Kamine funktionierten nicht, und die Türen, die auf den winzigen Balkon führten, von dem aus man auf Mary Lous riesigen blickte (der praktisch so groß war wie Meenas gesamte Wohnung), klemmten. Und sie hatte keinen Platz mehr in ihren Schränken.
Wichtig war jedoch, dass die Wohnung ihr gehörte – oder zumindest ihr gehören würde, wenn sie David endlich ausbezahlen konnte. Sie hatten Glück gehabt, dass sie sie kaufen
konnten, als die Preise gerade im Keller waren. Die vorherigen Eigentümer hatten sich scheiden lassen und wollten unbedingt verkaufen … Und außerdem hatte Meena von ihrer Großtante Wilhelmina eine kleine Geldsumme geerbt.
Obwohl David schon lange weg war, hatte Meena nie das Gefühl, einen Mann mit nach Hause bringen zu können. Aber an diesem Tag hatte sie Shoshona beobachtet, die – lange vor fünf Uhr – das Büro mit einem gutaussehenden Typen verlassen hatte (das musste der berüchtigte Stefan Dominic gewesen sein; Meena hatte leider nur seinen Hinterkopf mit den dunklen Haaren gesehen, bevor die beiden im Aufzug verschwunden waren), und leise Eifersucht verspürt.
Meena konnte sich schon kaum noch erinnern, wann sie das letzte Mal mit einem Mann ausgegangen war. Einmal hatte Mary Lou sie mit einem Typen aus dem Büro ihres Ehemannes verkuppeln wollen – und während sie in einem schicken Restaurant Calamari aßen, hatte Meena sich bemüßigt gefühlt, ihm zu sagen, er solle seinen Cholesterinspiegel mal überprüfen lassen, sonst würde er noch vor dem fünfunddreißigsten Lebensjahr einen Herzinfarkt bekommen.
Der Typ hatte sich nie wieder gemeldet, aber Meena hoffte, dass er wenigstens zum Arzt gegangen war, um sich untersuchen zu lassen.
Viel häufiger als Männer traf Meena im Übrigen ihre Nachbarin. Jeden Morgen tauchte Mary Lou wie durch Zauberei auf, wenn Meena in den Aufzug steigen wollte.
Es war unheimlich.
Und jedes Mal war die Hoffnung dahin, friedlich ins Erdgeschoss zu gleiten.
Und Mary Lou redete jedes Mal sofort auf sie ein, um ihr irgendeinen Mann anzupreisen oder eine neue Idee für die Drehbücher von Eternity.
»Ach, wirklich?«, antwortete Meena dann höflich. »Danke, Mary Lou. Nein, eigentlich treffe ich mich schon mit jemandem. Ja, ich habe ihn auf der Arbeit kennen gelernt.«
Oder: »Ja, ich werde Fran und Stan auf jeden Fall deine Idee vortragen, dass Victoria Worthington Stone Botschafterin von Brasilien werden sollte. Das wird ihnen sicher gefallen .«
Natürlich traf sie sich keineswegs mit einem Mann aus dem Büro (außer platonisch mit Paul; er war seit fünfundzwanzig Jahren glücklich verheiratet und hatte drei Kinder), und die Gräfin hatte noch nie auch nur eine einzige brauchbare Idee für Eternity gehabt. Was schade war, denn Meena mochte die warmherzige Mary Lou und ihren unaufdringlichen, immer etwas sorgenvoll schauenden Mann Emil wirklich gerne.
In der letzten Zeit hatte Mary Lou jedoch häufig zudringliche Fragen über Jon gestellt, was Meena irritierte. Die Gräfin schien geradezu besessen von Meenas Privatleben zu sein, und ihrer Meinung nach stand Jon Meena im Weg, so dass sie keine passende Liebesbeziehung eingehen konnte. Wie sollte Meena jemanden mit nach Hause bringen, wenn dort ständig ihr Bruder herumhing und Fettuccine Alfredo kochte? Mary Lou jedenfalls war entschlossen, Meena in die richtige Richtung zu schubsen.
Das wurde an dem Tag deutlich, als es Meena wieder einmal nicht gelang, der Gräfin am Aufzug aus dem Weg zu gehen …
Puff! Da war sie schon.
»Meena!«, rief die Gräfin. »Ich bin so froh, dass ich Sie hier treffe! Haben Sie meine E-Mail bekommen?
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