Eternity
Emils Vetter, der Prinz, kommt in die Stadt. Sie werden ihn lieben, er ist ein Schriftsteller, genau wie Sie. Er schreibt allerdings Bücher, keine Soaps. Eigentlich ist er Professor für alte rumänische Geschichte. Sie haben doch meine E-Mail mit der Einladung zur Dinnerparty am Donnerstag bekommen, oder? Glauben Sie, Sie können kommen?«
»Oh«, sagte Meena. »Ich weiß nicht. Bei der Arbeit geht alles drunter und drüber …«
»Oh, Ihr Job!« Ich hätte besser meinen Mund gehalten, dachte Meena, da Mary Lou sich sofort für das Thema erwärmte. »Sie arbeiten viel zu hart. Aber ich liebe auch jede einzelne Minute von Eternity ! Als Victoria es letzte Woche mit Bruder Juan Carlos im Vestibül getan hat, nachdem sie gebeichtet hatte, dass sie mit dem Reitlehrer ihrer Tochter schläft, musste ich mir eine Serviette in den Mund stopfen, um nicht laut zu schreien! Mein Hausmädchen hat gerade gesaugt, und ich hätte sie bestimmt zu Tode erschreckt, ich war so aufgeregt. Das war brillant! Das stammt aus Ihrer Feder, nicht wahr?«
Meena neigte bescheiden den Kopf. Auf die Geschichte mit Victoria und dem heißen Priester war sie wirklich stolz.
»Nun«, setzte sie an, aber Mary Lou unterbrach sie.
»Und trotzdem schuften Sie zu viel für diese Sendung. Na ja, hören Sie zu …«
Die Aufzugtüren glitten auf, und Meena und die Gräfin betraten den Aufzug für die Fahrt nach oben, die für Meena bestimmt wieder Äonen dauern würde.
Mary Lou begann Meena das Schloss zu beschreiben, in dem der Prinz in Rumänien den Sommer verbrachte. Mary Lou kannte es in- und auswendig, weil sie und ihr Mann jedes Jahr dort in der Nähe den Sommer verbrachten – zwei himmlische Monate, in denen Meena ungestört den Aufzug benutzen konnte.
Im fünften Stock überlegte Meena, warum sie eigentlich nie den bevorstehenden Tod von Mary Lou oder ihrem Ehemann Emil spürte. Das war wirklich seltsam.
Aber vielleicht ließ ja ihre Fähigkeit, den Tod vorauszusagen, jetzt, da sie auf die dreißig zuging, nach.
Im zehnten Stock hatte Meena alles über architektonische Einflüsse der Sachsen erfahren.
»Das hätte ich nicht gedacht!«, sagte sie, als die Aufzugtüren sich endlich auf ihrem Stockwerk öffneten.
»Ach, Meena«, sagte die Gräfin, als sie durch den Flur gingen, »ich habe ganz vergessen zu fragen, wie es Ihrem Bruder geht.«
Da war er wieder. Der schräg gelegte Kopf. Dazu gehörte natürlich auch der mitfühlende Blick. Botox war für die Gräfin keine Unbekannte, wie Meena wusste, da die Gräfin weit über vierzig sein musste, ihr Gesicht jedoch so faltenlos wie Meenas war. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie ständig große Hüte und Handschuhe trug, um ihren Teint vor der Sonne zu schützen. Und die geschürzten Lippen schienen sagen zu wollen: Ich nehme großen Anteil. Erzählen Sie mir, was Ihr Bruder macht.
»Jon geht es gut«, erwiderte Meena mit so viel Enthusiasmus, wie sie aufbringen konnte. Schließlich musste sie diesen Satz mehrmals pro Woche wiederholen. »Wirklich gut. Er trainiert, liest viel und kocht. Gestern Abend hat er ein tolles neues Gericht ausprobiert. Er hat chinesisches Rindfleisch mit Orangen gekocht. Das Rezept hatte er aus der Times. Es war köstlich!«
Das war gelogen. Es hatte schrecklich geschmeckt, und Meena war wütend gewesen, dass Jon sich überhaupt daran versucht hatte. Er war kein begnadeter Koch. Seine Stärke waren Grillsteaks, aber raffiniertere Gerichte beherrschte er nicht. Sie hatten das Essen in den Müllschlucker geworfen, und Meena konnte nur hoffen, dass die Gräfin und ihr Mann Emil es nicht gerochen hatten, als sie von der Wohltätigkeitsveranstaltung nach Hause kamen, an der sie teilgenommen hatten. Wenn sie nicht gerade selbst Gäste hatten, gingen sie zu solchen Veranstaltungen, die spät am Abend überall in der Stadt
stattfanden, und ihre Namen wurden regelmäßig in den Gesellschaftsspalten erwähnt.
»Oh!« Mary Lou drückte die Hand auf ihre Chanel-Jacke. »Das ist wundervoll. Es ist so großzügig von Ihnen, dass Sie ihn bei sich wohnen lassen, bis er wieder auf die Beine gekommen ist. Der Prinz liebt großzügige Menschen, und deshalb wird er Sie lieben. Natürlich …« Mary Lou wedelte mit der Hand, und der sieben oder acht Karat schwere Diamantring an ihrem Ringfinger blitzte im Schein der Flurbeleuchtung. »Natürlich können Sie Jon mitbringen, wenn Sie am Donnerstag zum Dinner zu Ehren des Prinzen kommen. So ein reizender junger
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