Eternity
gedacht. Deshalb tue ich das jetzt.«
Dann senkte er den Kopf und küsste sie. Das war eine schockierende Wendung und brachte Meena völlig durcheinander. Mehr, als irgendetwas anderes in den letzten Tagen, und das hieß einiges. Doch noch schockierender war die Tatsache, dass es gar nicht unangenehm war, von Alaric Wulf geküsst zu werden. Ganz im Gegenteil …
Es war schon eine ganze Weile her, seit sie von einem Mann geküsst worden war, dessen Herz schlug und durch dessen Adern Blut floss. Sie spürte seinen Herzschlag, als er sie küsste … mit langsamer Entschlossenheit küsste … ohne Eile. Es war ein Kuss, über den er, wenn sie sich nicht irrte, vorher gründlich nachgedacht hatte. Alaric Wulf küsste sie, als sei es der letzte Kuss seines Lebens.
Und als sie die Augen öffnete und an ihm herunterblickte, weil sie etwas Warmes an ihrem Bein spürte, sah sie einen großen Riss in seiner rechten Wade, aus dem das Blut alarmierend
schnell herausschoss. Anscheinend hatte ein Nagel ihm das Bein aufgerissen, als die Kanzel zusammenbrach und er sich schützend über sie geworfen hatte, um wieder einmal ihr Leben zu retten.
Dieser Mann hatte wirklich einen Heldenkomplex.
Warum machte er das nur immer? War ihm nicht klar, dass er daran sterben konnte?
Meena fluchte, schob Alaric unsanft beiseite und versuchte, die Blutung mit den Händen zu stoppen.
»Alaric«, sagte sie sanft, bemüht, ruhig zu bleiben, aber es war so viel Blut. »Du hast einen Riss in der Wade. Du verblutest.«
»Ich weiß«, sagte er. Er klang nicht besonders besorgt, sondern blickte sie nur an. Er wirkte vollkommen glücklich.
»Wir müssen die Blutung stillen«, sagte Meena. »Bestimmt ist eine Arterie getroffen worden.« Sie versuchte, sich an die Erste-Hilfe-Kurse in der Schule zu erinnern. »Ich glaube, ich muss dir einen Pressverband anlegen.«
»Du hast mir doch gesagt, ich würde sterben«, sagte er achselzuckend. »Du hast gesagt, es wäre dunkel und da wäre Feuer. Und jetzt geschieht es. Du hattest recht.«
»Nein«, sagte sie. Ihr Herz raste. »Ich habe mich geirrt. Ich brauche deinen Gürtel oder so.«
»Niemand nimmt mir Señor Sticky ab«, sagte Alaric stirnrunzelnd.
»O mein Gott«, fuhr Meena ihn an. »Ich will doch nicht dein blödes Schwert. Ich …«
Dann fiel ihr etwas ein.
»Mein Schal«, sagte sie. »Ich hab dir doch meinen Schal gegeben. Trägst du ihn noch?«
Er hob sein Handgelenk und schob den Ärmel zurück. Erleichtert stellte sie fest, dass der rote Schal noch an Ort und Stelle saß.
»Meinst du den?«, fragte er. »Aber du hast ihn mir geschenkt.«
»Na ja, jetzt brauche ich ihn zurück«, sagte sie. »Nimm ihn ab und gib ihn mir.«
Mit seinen großen Fingern versuchte Alaric ungeschickt, den kleinen Knoten zu lösen. »Ich muss mich sehr über dich wundern, Meena Harper«, beklagte er sich. »Geschenkt ist geschenkt. Es ist nicht sehr höflich, ein Geschenk zurückzufordern.«
Hinter der Mauer aus eingestürzten Steinen und Holz hörte Meena ein Brüllen – Lucien. Dann bebte das gesamte Gebäude. Was tat Lucien?
Bitte, betete sie, keinen Tod mehr. Es hat heute Nacht schon so viele Tote gegeben. Viel zu viele. Sie konnte es nicht mehr ertragen.
Auch Alaric hörte das Brüllen. Er schüttelte den Kopf. »Deshalb musst du zu uns kommen und für die Geheime Garde arbeiten«, sagte er.
»Was?«, rief sie, während sein Blut über ihre Hände sprudelte. »Was redest du da?«
»Verstehst du nicht, Meena?«, antwortete er. »Wenn du für die Geheime Garde arbeiten würdest, würde so etwas nicht mehr passieren. Die Dämonen … sie hätten keine Chance mehr, wenn du auf unserer Seite stündest statt auf ihrer.«
»Ich stehe nicht auf der Seite der Dämonen«, fuhr Meena Alaric gereizt an. Es war nicht seine Schuld. Der Blutverlust hatte ihm offensichtlich den Verstand vernebelt. Deshalb hatte er sie auch geküsst. Das hätte er nie gemacht, wenn er klar hätte denken können. Er hasste sie doch. »Ich verstehe nur nicht, warum anscheinend alle Lucien töten wollen. Er …«
»An jenem Tag, als Martin und ich in dieses Lagerhaus gegangen sind«, fuhr Alaric fort, als hätte sie nichts gesagt, »hatten wir keine Ahnung, dass wir in eine Falle geraten würden.
Aber wenn du dabei gewesen wärst, weil du für die Geheime Garde arbeiten würdest, hättest du gesagt: ›Hey, Alaric, hey, Martin. Ich sehe Gefahr. Seid vorsichtig!‹ Und wir wären vorsichtig gewesen. Und vielleicht könnte Martin dann
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