Eternity
heute immer noch kauen.«
Alaric hielt ihr den Schal hin. Er hatte den Knoten endlich gelöst.
Meena starrte ihn verwirrt an.
Meinte er das ernst? Oder fantasierte er?
Sie sollte für die Geheime Garde arbeiten? Sie?
Nein. Das war der Traum ihres Bruders, nicht ihrer. Sie wollte kein Dämonenjäger werden. Sie liebte einen Dämon.
Wäre das nicht ein ziemlicher Interessenskonflikt?
»Ich wünschte wirklich, du würdest zu uns kommen, Meena«, sagte Alaric. »Ich will nicht sterben. Und ein Hinweis von dir, wann ich damit rechnen könnte, wäre nett. Die anderen würden es bestimmt auch zu schätzen wissen.«
Meena nahm den Schal.
»Ich … ich denke darüber nach«, sagte sie.
Dann legte Meena ihm mithilfe des Schals und eines Holzstücks einen Druckverband an. Glücklicherweise hatte sie den Dialog für eine Szene geschrieben, in der Victoria Worthington Stone gezwungen war, ihrem Halbbruder einen Druckverband anzulegen, als sie mit dem Flugzeug im Urwald von Südamerika abgestürzt waren. Victoria hatte sich von einem Krankenhaus in der Nähe unterweisen lassen, und Meena hatte alle Details sorgfältig eingearbeitet, falls jemand von den Zuschauern jemals in eine ähnliche Situation kommen würde …
Nie, in einer Million Jahren nicht, hätte sie sich vorstellen können, dass sie das Wissen einmal brauchen würde. Aber es funktionierte. Die Blutung hörte auf.
Vielleicht hatte sie aber auch nur aufgehört, weil Alaric tot war.
Als sie ihn jedoch ansah, fixierte er sie nachdenklich. »Und?«, fragte er.
»Die schlechte Nachricht ist, du küsst schrecklich«, informierte sie ihn gespielt ernst. »Die gute Nachricht ist, du hast noch viel Zeit, um an deiner Technik zu arbeiten. Du wirst überleben.«
»Nein«, sagte er. Er griff nach ihrer Hand. Anscheinend störte es ihn nicht, dass sie ganz blutig war. Von seinem Blut. »Das meine ich nicht. Ich meine das andere.«
Meena schüttelte den Kopf. »Alaric«, erwiderte sie, »ich ziehe doch nicht nach Rom!«
Er schien zu überlegen.
»Meinst du, deine Wahrsagekräfte funktionieren auch über Skype?«, fragte er schließlich.
Und dann wurde er ohnmächtig.
Ihre Hand ließ er jedoch nicht los. Er hielt sie immer noch fest, als Feuerwehrleute sich zu ihnen durchgegraben hatten und fragten, ob alles in Ordnung sei.
»Mir geht es gut«, erwiderte Meena. »Aber mein Freund hier braucht einen Krankenwagen. Sein Bein ist schlimm verletzt.«
»In Ordnung, Ma’am«, sagte der Feuerwehrmann. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir sind gleich bei Ihnen.«
»Was ist mit den anderen?«, fragte Meena besorgt. Sie dachte an Lucien, aber natürlich auch an Abraham Holtzman, Schwester Gertrude und ihre Helfer. »Geht es den anderen auch gut?«
»Ich habe keine Ahnung, Ma’am«, sagte der Feuerwehrmann. »Soweit ich weiß, sind Sie die beiden einzigen Überlebenden.«
60
Freitag, 23. April, 18.00 Uhr
Lenox Hill Krankenhaus
100 East 77th Street, New York
Alaric war zutiefst unglücklich.
Es war schlimm genug, dass er im Krankenhaus war. Aber um alles noch schlimmer zu machen, lag er schon seit fast einer Woche da, und niemand hatte daran gedacht, ihm seine Sachen aus dem Peninsula zu bringen. Seine Seidenpyjamas, seine mit Schafswolle gefütterten Pantoffeln oder auch nur seinen Morgenmantel.
Nichts.
Er quälte sich im Streckverband in einem schrecklich unbequemen Krankenhausbett. Die Krankenhausbettwäsche war kratzig und minderwertig, und er trug ein Krankenhausnachthemd.
Ein Krankenhausnachthemd!
Es war am Rücken nicht einmal zu schließen. Wenn er also im Gang herumspazieren wollte – was er natürlich nicht konnte, weil er im Streckverband hing, er würde wochenlang nicht gehen können, wochenlang, hatten sie ihm gesagt, und so was nannte sich Ärzte! –, dann konnte er das schon deshalb nicht, weil er der ganzen Station sein entblößtes Hinterteil zeigen müsste.
Er konnte mit dem Fernsehgerät in seinem Zimmer noch nicht einmal gute Filmsender empfangen.
Und es gab keine Minibar. Natürlich hätte er sie sowieso nicht benutzen können, da er ja ans Bett gebunden war. Wenn
er eine Flasche Wasser wollte, musste er nach der Schwester klingeln.
Er konnte noch nicht einmal ins Badezimmer.
Er war noch nie so gedemütigt worden.
Alaric wäre ja auf eigene Verantwortung gegangen, aber sie hatten ihm gesagt, er habe eine Infektion, die mit intravenösen Antibiotika behandelt werden müsse. Er wusste nicht, ob er den Ärzten überhaupt glauben
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