Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
übereinstimmen. Die standesärztlichen Richtlinien stellen klar, dass lebensverlängernde Maßnahmen, die nicht mehr zumutbar sind, auch dann eingestellt werden können, wenn der Patient nicht mehr äußerungsfähig ist.
Für solche Situationen wurde das Instrument der Patientenverfügung entwickelt und rechtlich geregelt. Eine Patientenverfügung kann die Bedingungen für die Beendigung therapeutischer Maßnahmen für den Fall festlegen, in dem der Patient selbst nicht mehr einwilligen kann. Die christlichen Kirchen in Deutschland haben ihren Vorschlag zur Gestaltungeiner solchen Erklärung nicht mehr unter den Titel der «Patientenverfügung», sondern unter den Titel der «Patientenvorsorge» gestellt (Deutsche Bischofskonferenz/EKD 2011). Sie rücken als entscheidendes Instrument die Vorsorgevollmacht ins Zentrum und sehen in ihr den Dreh- und Angelpunkt. Ihr kann eine Betreuungsverfügung für die Vertrauensperson, die eine Vorsorgevollmacht hat, hinzugefügt werden. Behandlungswünsche können dort niedergelegt werden. Am Ende folgt auch ein Formular für eine Patientenverfügung. Die Akzentsetzung ist gegenüber der üblichen Betrachtungsweise umgekehrt: Entscheidend ist, dass der Arzt oder die Ärztin bei fehlender Einwilligungsfähigkeit einen Ansprechpartner hat, denn der richtige Weg muss im Gespräch gefunden werden und kann nicht allein von Festlegungen abhängig sein, die oft fern von der konkret eingetretenen Situation erfolgt sind und deshalb in jedem Fall in der aktuellen Lage interpretiert werden müssen.
So können sich auch auf der letzten Etappe des menschlichen Lebens Selbstbestimmung und Fürsorge miteinander verbinden. Es kann zugleich berücksichtigt werden, dass die ärztlichen Möglichkeiten in einer konkreten Situation niemals genau vorwegzunehmen und zu beurteilen sind. Ein durch eine Vorsorgevollmacht Beauftragter hat Behandlungswünsche oder eine Patientenverfügung zu berücksichtigen, kann diese aber gemeinsam mit dem behandelnden Arzt gemäß den Intentionen des Patienten auf die entstandene Situation beziehen. Ähnliches gilt für eine Betreuungsverfügung.
Es gibt lang anhaltende Krankheiten, bei denen Menschen vom Leben lassen wollen und es doch nicht können. Manche von ihnen hören auf zu essen und zu trinken. Es ist auch möglich, dass sie sich dazu bewusst entscheiden. Unter verantwortlicher Prüfung der Umstände und sorgfältiger Pflege ist ein solches selbstbestimmtes Sterben alter und kranker Menschen durch den Verzicht auf Essen und Trinken anzunehmen. Ärzte sind in diesen Fällen von ihrer Garantenstellung zu befreien, denn ein anderes Handeln, etwa die künstlerische Ernährung, würde dem klar erkennbaren Willen des Patienten widersprechen (Chabot/Walther 2011: 106f.).
Zu Recht hat die Sterbebegleitung durch stationäre und ambulante Hospize an Bedeutung gewonnen, auch wenn diese Form des Beistands auf der letzten Etappe des menschlichen Lebens noch nicht für alle Menschen, die sie benötigen, erreichbar ist. An dieser Möglichkeit, Menschenauf dem Weg zum Tod einen bergenden Ort zu geben, zeigt sich besonders eindrucksvoll, was für das Leben insgesamt gilt: Selbstbestimmung und Fürsorge widersprechen einander nicht, sie gehören zusammen. Auch wenn das Leben des Menschen an sein irdisches Ende kommt, bleibt der Mensch ein Beziehungswesen.
Die öffentliche Diskussion neigt zu Verengung und Zuspitzung, auch die Debatte über die Patientenverfügung. Was kann geschehen, wenn ein Mensch nicht mehr hör- und äußerungsfähig ist? Wie lässt sich die rechtliche Verbindlichkeit seiner zuvor festgelegten Willensäußerung sichern? Unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht wird die Patientenverfügung von manchen als Königsweg betrachtet. Zur Begründung wird vorgebracht, in einer Gesellschaft, die durch Individualisierung und Vereinzelung geprägt ist, hätten viele Menschen gar keine Vertrauensperson, der sie eine Vorsorgevollmacht übertragen könnten. Doch auch in einer Gesellschaft vielfältiger Überzeugungen und Lebensformen bleiben die Menschen aufeinander angewiesen. In Familien und kleinen Lebenskreisen sollten Beziehungen gestärkt werden, in denen Menschen sich aufeinander verlassen und füreinander einstehen können.
Je riskanter unser Leben wird, desto wichtiger werden die elementaren Lebensgewissheiten – insbesondere Vertrauen, Zuversicht und Liebe.
Dank
Einen wichtigen Anstoß zu dem vorliegenden Buch verdanke ich Matthias Naß, der mich
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