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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Huber
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der sie Sexualität leben wollten, ihre evaluative Einstellung normativ gewendet und erklärt, Heterosexualität sei überhaupt die einzige Form, in der menschliche Sexualität, moralisch betrachtet, gelebt werden dürfe. Diese evaluative Einstellung fand Eingang in das staatliche Strafrecht, das im § 175 des Reichsstrafgesetzbuchs von 1872 die «widernatürliche Unzucht zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren» unter Strafe stellte; die Nationalsozialisten strichen das Wort «widernatürlich», was im Sinn einer Ausweitung des Tatbestands gemeint und mit einer Strafverschärfung verbunden war. Es dauerte bis zum Jahr 1969, bis im Westen Deutschlands die Große Strafrechtsreform die Strafbarkeit auf den Sexualverkehr mit Minderjährigen beschränkte; erst 1994 wurden die letzten Sonderbestimmungen zur männlichen Homosexualität aus dem Strafgesetzbuch des vereinigten Deutschland (wie zuvor zum 1. Juli 1989 aus demjenigen der DDR) gestrichen.
    Bis dahin wirkte sich die Diskriminierung homosexuell lebender Männer strafrechtlich aus. In einer solchen pauschalen Diskriminierung und Ausgrenzung wird jedoch der entscheidende moralische Gesichtspunkt eklatant verletzt. Denn er besteht nicht darin, allen Menschen dieselbe sexuelle Orientierung und Lebensform vorzuschreiben. Er ist vielmehr darin zu sehen, dass alle Menschen unabhängig von der sexuellen Orientierung in ihrer Würde zu achten sind. Eine moralische Sicht auf die menschliche Sexualität tritt für Beziehungen ein, die durch Verlässlichkeit und Verantwortung geprägt sind, in denen keiner die oder den anderen zum bloßen Mittel macht, in denen sich Vertrauen und Treue entwickeln können. Sie richtet sich dagegen nicht darauf, bestimmte sexuelle Orientierungen zu diskriminieren.
    Vielleicht wäre eine solche Diskriminierung leichter und früher eingedämmt worden, wenn man sich die Unterscheidung zwischen dem Richtigen und dem Guten, zwischen Moral und Ethik, zwischen normativen und evaluativen Aussagen bewusst gemacht hätte. Heute jedenfalls ist es an der Zeit, diese Unterscheidung fruchtbar zu machen – keineswegs nur im Bereich der Sexualethik.
Grundfragen des Lebens als Grundfragen der Ethik
    Die Frage nach der Ethik entsteht aus konkreten Konfliktsituationen, nicht aus abstraktem Begründungsinteresse. Gerade weil die ethischen Herausforderungen angesichts der wissenschaftlich-technischen Entwicklung, der ökonomischen Globalisierung und des gesellschaftlichen Pluralismus immer komplexer werden, darf man ihnen nicht ausweichen. Deshalb behandelt dieses Buch die Grundfragen unseres Lebens als die wichtigsten Grundfragen der Ethik überhaupt. Überlegungen zur Begründung der Ethik oder Klärungen ethischer Grundbegriffe werden deshalb den konkreten Erfahrungen zugeordnet, mit denen Menschen im Laufe ihrer Lebensgeschichte konfrontiert sind.
    Auch wenn man das ethische Nachdenken am menschlichen Lebenslauf und seinen wichtigen Stationen zwischen Geburt und Tod orientiert, lässt sich nur eine Auswahl von Fragestellungen behandeln. Die Leserinnen und Leser sind dazu eingeladen, das, was hier an ausgewählten Lebenssituationen verdeutlicht wird, auf weitere Themen zu übertragen.
    Die am menschlichen Lebenslauf orientierten Fragen verbinden personalethische, professionsethische und institutionsethische Aspekte miteinander. Das Verhalten jedes Einzelnen, die Aufgaben besonderer Berufsgruppen, Amtsträger oder Verantwortungspositionen und schließlich die Gestaltung der Institutionen des gemeinsamen Lebens bilden drei grundlegende Dimensionen der Ethik. Die Unterscheidung zwischen diesen drei Aspekten tritt in den folgenden Überlegungen an die Stelle der verbreiteten Unterscheidung zwischen Individualethik und Sozialethik.

    * Mit dem Verfassernamen, dem Erscheinungsjahr und gegebenenfalls einer Seitenzahl wird auf Veröffentlichungen verwiesen, die in den Literaturhinweisen am Ende dieses Buchs aufgeführt sind. Falls notwendig, wird zusätzlich ein Kurztitel genannt. Die angegebene Jahreszahl bezieht sich in der Regel auf das Erscheinungsjahr der verwendeten Ausgabe, nur in Ausnahmefällen auf das Jahr der Erstveröffentlichung.

2. Zusammenleben
    Hat die Familie Zukunft?
    Der Fotograf Thomas Struth hat einen wichtigen Teil seines künstlerischen Schaffens dem Thema «Familienleben» gewidmet. In verschiedenen Ländern fotografierte er Familien, mit denen er aus beruflichen oder privaten Gründen vertraut war. Seine Bilder

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