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Eugénie Grandet (German Edition)

Eugénie Grandet (German Edition)

Titel: Eugénie Grandet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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drückte sie ins Loch, preßte sie fest und zündete sie an; dann setzte er sich neben seine Frau und betrachtete abwechselnd den Besuch, seine Tochter und die beiden Kerzen.
    Der Abbé Cruchot, ein kleiner, dicker Mann mit einer fuchsroten glatten Perücke, streckte seine Füße, die in derben, mit Silberschnallen gezierten Schuhen steckten, behaglich von sich und sagte: »Die des Grassins sind nicht gekommen?«
    »Noch nicht«, antwortete Grandet.
    »Aber sie werden kommen?« forschte der alte Notar und verzerrte sein pockennarbiges Gesicht zu einer fragenden Grimasse.
    »Ich glaube wohl«, erwiderte Madame Grandet.
    »Ist Ihre Weinlese beendet?« wandte sich der Präsident de Bonfons an Grandet.
    »Überall!« sagte der alte Weinbauer, indem er sich erhob und im Zimmer auf und ab zu schreiten begann. Und er reckte die Brust mit einem Selbstbewußtsein, das trefflich zu dem dünkelhaften Tonfall seines »Überall« paßte.
    Da gewahrte er durch die offene Flurtür, die in die Küche führte, die Große Nanon, die beim Herdfeuer saß, ein Licht neben sich hatte und spann. Sie hatte sich hierher zurückgezogen, um die Festgesellschaft nicht zu stören.
    »Nanon«, rief er, in den Flur hinaustretend, »willst du wohl dein Feuer ausmachen und dein Licht und sofort zu uns kommen! Der Saal ist wahrhaftig groß genug für uns alle!«
    »Aber, Monsieur, Sie bekommen vornehme Gäste.«
    »Bist du ihrer nicht ebenbürtig? Sie stammen alle von Adam ab, gerade wie du.«
    Grandet trat zum Präsidenten zurück und fragte: »Haben Sie Ihre Ernte verkauft?«
    »Nein, nein! Ich behalte sie. Ist der Wein heuer gut, so wird er in zwei Jahren noch besser sein. Sie wissen es ja: die Weingutsbesitzer haben sich geschworen, nicht von den einmal geforderten Preisen abzuweichen; diesmal werden die Belgier nicht den Sieg davontragen! Wenn sie unsern Wein brauchen, werden sie wiederkommen.«
    »Ja; aber halten wir uns wacker«, sagte Grandet in einem Ton, der den Präsidenten erbeben machte.
    ›Sollte er schon in Unterhandlungen stehen?‹ fragte sich Cruchot im stillen.
    In diesem Augenblick verkündete der Hammerschlag des Türklopfers die Ankunft der Familie des Grassins; ihr Eintritt beendete das Gespräch, das sich soeben zwischen Madame Grandet und dem Abbé entsponnen hatte.
    Madame des Grassins war eine kleine, dicke Person mit weißem und rosigem Teint, eine jener Frauen, die dank der klösterlichen Sitten des Provinzlebens und dank eines tugendhaften Lebenswandels noch mit vierzig Jahren einen jugendlichen Eindruck machen. Sie sind wie die letzten Rosen des Sommers, deren Anblick erfreut, deren Blütenblätter aber seltsam kühl und duftlos sind. Sie kleidete sich ziemlich gut, bestellte ihre Toiletten in Paris, war in Saumur tonangebend und hielt Soireen ab. Ihr Gatte, ehemaliger Quartiermeister der kaiserlichen Garde, aber bei Austerlitz schwer verwundet und infolgedessen in den Ruhestand versetzt, hatte ungeachtet seiner Hochschätzung Grandets die derbe, gebieterische Redeweise des Offiziers beibehalten.
    »Bonjour, Grandet«, sagte er, dem Weinbauer die Hand reichend. Sein Ton hatte eine Überlegenheit, die die Cruchots ganz vernichtete. »Mademoiselle«, wandte er sich an Eugénie, nachdem er Madame Grandet begrüßt hatte, »Sie sind immer schön und klug – ich weiß wahrhaftig nicht, was man Ihnen wünschen kann.«
    Dann überreichte er ihr ein kleines Kästchen, das sein Diener ihm nachgetragen hatte und das eine ›Bruyère du Cap‹ enthielt, eine erst unlängst in Europa eingeführte und sehr seltene Blume.
    Madame des Grassins umarmte Eugénie innig, drückte ihr die Hand und sagte: »Adolphe hat es übernommen, Ihnen mein kleines Geschenk zu überreichen.«
    Adolphe war ein großer, blonder junger Mann, etwas bleich und schwächlich, von guten Manieren und schüchternem Auftreten; immerhin hatte er es fertiggebracht, in Paris als Student der Rechte acht- bis zehntausend Francs mehr auszugeben, als sein Wechsel betrug.
    Er trat auf Eugénie zu, küßte sie auf beide Wangen und übergab ihr ein Nähkästchen, dessen sämtliche Utensilien aus vergoldetem Silber waren; im übrigen waren sie herzlich minderwertig, trotz des auf das Schloßblech eingravierten Monogramms E G, das dem Ganzen den Eindruck einer gewissen Solidität verlieh.
    Eugénie öffnete das Kästchen und empfand beim Anblick seines funkelnden Inhalts eine so innige Freude, daß sie wie ein ganz junges Mädchen errötete und erbebte. Sie blickte ihren

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