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Eugénie Grandet (German Edition)

Eugénie Grandet (German Edition)

Titel: Eugénie Grandet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sieht und immer zu rechter Zeit anklopft, bestrafte ihn sicherlich wegen seines berechnenden Wesens und der juristischen Geschicklichkeit, mit der er seinem Ehevertrag folgende Klausel eingefügt hatte: ›Im Falle sie keine Kinder bekommen, vermachen die beiden Gatten einander ihren gesamten Besitz, bewegliche wie unbewegliche Habe, ohne Ausnahme und Vorbehalt, verlangen auch keine Inventaraufnahme; auch darf wegen des Fehlens einer solchen von ihren Erben nicht Einspruch erhoben werden, so daß besagte Schenkung...‹ Diese Klausel erklärt, daß der Präsident den Wunsch seiner Gattin, allein gelassen zu werden, durchaus respektierte.
    Die Frauen sprachen von dem Oberpräsidenten als einem ungemein zartfühlenden Manne, bedauerten ihn und verurteilten oft den Schmerz und die unglückliche Leidenschaft Eugénies; mit anscheinender Teilnahme und Rücksicht sagten sie grausame Bosheiten:
    ›Madame de Bonfons muß recht leidend sein, daß sie ihren Mann so einsam läßt. Arme kleine Frau! Wird sie bald gesund sein? Was hat sie nur: eine Magenentzündung, Krebs? Warum konsultiert sie keinen Arzt? Sie wird seit einiger Zeit so gelb; sie sollte eine Pariser Kapazität aufsuchen! Wie ist es nur möglich, daß sie sich nicht ein Kind wünscht? Man sagt, sie liebt ihren Mann, warum ihm also keinen Erben schenken bei ihrem Vermögen? Ist das nicht entsetzlich, abscheulich? Und wenn es nur eine Laune wäre, wäre es unverantwortlich ... Armer Präsident!‹
    Eugénie, die den feinen Takt besaß, den das grüblerische Denken dem Einsamen gibt, und den tiefen Blick, mit dem er alles, was seiner Sphäre naht, zu erfassen vermag – Eugénie, die das Unglück und die bösen Erfahrungen klug gemacht hatten, wußte, daß der Präsident auf ihren Tod wartete, ihn herbeiwünschte, um sich im Besitz des ganzen ungeheuren Vermögens zu wissen, das sich durch die Hinterlassenschaften seiner beiden Onkel, des Notars und des Abbés, die Gott zu sich gerufen, noch wesentlich vergrößert hatte. Die arme Einsame hatte Mitleid mit dem Präsidenten. Einem Kinde das Leben schenken, hieße das nicht, die Hoffnungen des Egoismus vernichten, die ehrgeizigen Pläne, mit denen der Präsident sich trug, begraben?
    Doch die Vorsehung rächte sie für die abscheuliche Gleichgültigkeit und elende Gewinnsucht eines Gatten, der die hoffnungslose Liebe seiner Frau als das beste Unterpfand zur dereinstigen Erfüllung seiner Wünsche ansah. Und Gott überschüttete die einsame Seele, der das Gold so gar nichts bedeutete, mit einem wahren Goldregen; sie aber verlangte nach dem Himmel und führte ein heiliges, frommes Leben und war eine himmlische Helferin allen Armen und Leidenden.
    Madame de Bonfons war mit dreiunddreißig Jahren Witwe und hatte ein Jahreseinkommen von achthunderttausend Francs; sie war noch schön – schön wie eine Frau, die sich den Vierzigern nähert. Ihr Antlitz ist bleich, sanft, ruhig, ihre Stimme weich und zurückhaltend, ihr Wesen einfach. Sie hat den ganzen Adel des Schmerzes, die Reinheit eines Menschen, der sich stets dem Treiben der Welt ferngehalten hat, aber auch die Steifheit der alten Jungfer und die engherzigen Gewohnheiten, die nur das Provinzleben zeitigt. Trotz ihrer achthunderttausend Livres Rente lebt sie noch immer so, wie einst die arme Eugénie Grandet gelebt hatte: sie läßt das Feuer in ihrem Ofen nicht um einen Tag früher anzünden, als seiner zeit ihr Vater das Feuer im grauen Saal anzünden ließ, und stellt die Winterheizung genau am selben Tag ein, wie es in ihren jungen Jahren üblich war. Sie kleidet sich ganz so, wie ihre Mutter sich kleidete. Das Haus in Saumur, das sonnenlose, wärmelose, immer dunkle, immer melancholische Haus – es ist das Abbild ihres Lebens. Sie speichert ihre Einkünfte sorgsam auf, und sie erschiene vielleicht kleinlich, ja geizig, wenn nicht eine edle Freigebigkeit der Sparsamkeit die Waage hielte. Fromme und barmherzige Stiftungen, ein Altersheim, christliche Schulen, eine reich dotierte öffentliche Bibliothek – alles dies ist ein wuchtiger Beweis ihrer Großmut und straft die bösen Zungen, die ja niemals fehlen, Lügen. Die Kirchen Saumurs verdanken ihr manche Verschönerung. Madame de Bonfons, die man auch scherzhaft ›Mademoiselle‹ nennt, genießt eine fast andächtige Verehrung.
    Dies edle Herz, das nur den zärtlichsten Gefühlen schlug, ging also zugrunde am berechnenden Geschäftsgeist, am menschlichen Strebertum. Auf dies himmlische Leben warf das Geld

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