Eugénie Grandet (German Edition)
gehen!« rief Madame Grandet, »Komödie sehen! Aber wissen Sie denn nicht, daß das – eine Todsünde ist?«
»Hier, mein lieber junger Monsieur«, sagte jetzt Nanon, die Eier herbeibringend, »wir bringen Ihnen die Hühner in der Schale.«
»Oh, frische Eier!« sagte Charles, der mit der Gleichgültigkeit des Reichen seine Rebhühner schon wieder vergessen hatte. »Aber das ist köstlich! Wenn Sie etwas Butter hätten, wie, liebes Kind?«
»Ah! Butter!« sagte die Magd; »da wollen Sie also keinen Kuchen?«
»So gib doch die Butter, Nanon«, rief Eugénie.
Das junge Mädchen sah zu, wie ihr Cousin sich das Brot schnitt, und hatte daran ebensoviel Freude, wie die empfindsamste Grisette von Paris haben mag, wenn sie ein Melodrama sieht, das den Triumph der Unschuld verherrlicht.
Wahrlich, Charles, dessen Erziehung eine anmutige Mutter begonnen und eine Dame von Welt vollendet hatte, hatte kokette, elegante, zierliche Bewegungen wie ein kleines Modedämchen.
Das Mitgefühl und die zärtlichen Gedanken eines jungen Mädchens haben eine magnetische Kraft. So konnte auch Charles, der sich als der Gegenstand der Aufmerksamkeiten von Cousine und Tante sah, sich der Macht der Gefühle, die zu ihm strömten und ihn überfluteten, nicht entziehen. Er warf Eugénie einen von Liebenswürdigkeit strahlenden Blick zu, einen Blick, der streichelte, der süß war wie ein Lächeln. Er betrachtete Eugénie und gewahrte in diesem reinen Antlitz eine seltene Harmonie der Züge und Unschuld des Ausdrucks, gewahrte die wundervolle Klarheit ihrer Augen, aus denen die allererste Liebe leuchtete, Augen, deren Wünschen nichts von Wollust wußte.
»Mein Wort, liebe Cousine, wenn Sie in großer Toilette in einer Loge der Oper sitzen würden – ich garantiere, daß meine Tante sehr recht haben würde, denn Sie würden in den Männern die Sünde der Eifersucht und in den Frauen die Sünde des Neides erwecken.«
Dieses Kompliment ließ Eugénies Herz erzittern und heftig klopfen, obgleich sie nichts verstanden hatte.
»O lieber Cousin, Sie wollen sich über ein armes kleines Provinzmädchen lustig machen.«
»Wenn Sie mich kennen würden, liebe Cousine, so würden Sie wissen, daß ich die Spötterei verabscheue; sie verdorrt das Herz, tatet alle Empfindungen ...«
Und er verschlang mit Behagen seine Butterschnitten.
»Nein, ich habe anscheinend nicht genug Geist, um mich über andere lustig zu machen, und dieser Mangel bringt mir viel Schaden. In Paris macht man einen Mann unmöglich, indem man von ihm sagt: ›Er hat ein gutes Herz‹, denn das heißt soviel wie: ›Der arme Kerl ist dumm wie ein Rhinozeros.‹ Doch da ich reich bin und bekannt dafür, mit jeder Art Pistole auf dreißig Schritt Entfernung mein Ziel zu treffen, auch im freien Feld, so fürchtet mich der Spott.«
»Was Sie da sagen, mein Neffe, zeugt von einem guten Herzen.«
»Sie haben einen sehr hübschen Ring«, sagte Eugénie; »ist es unrecht, Sie zu bitten, ihn näher betrachten zu dürfen?«
Charles zog den Ring ab und hielt ihn hin, und Eugénie errötete, als sie mit ihren Fingerspitzen die rosigen Nägel ihres Cousins streifte.
»Sehen Sie, liebe Mutter, welch schöne Arbeit!«
»Oh, das ist ja dickes Gold!« sagte Nanon, die mit dem Kaffee herbeikam.
»Was ist denn das?« fragte Charles lachend. Und er zeigte auf einen hohen braunen, gesprungenen und innen glasierten Tontopf, der einen Überzug von Asche hatte und in dem der Kaffee sich kochend auf und nieder wälzte.
»Das ist gekochter Kaffee«, sagte Nanon.
»O meine liebe Tante, ich werde wenigstens einige wohltätige Zeichen meines Aufenthaltes hier hinterlassen. Sie sind in manchem noch sehr zurück. Ich werde Ihnen zeigen, wie man in einer Kaffeemaschine ›Chaptal‹ einen guten Kaffee bereiten kann.« Und er wollte sich über das System der Kaffeemaschine ›Chaptal‹ auslassen.
»O je«, sagte Nanon, »was das für Umstände macht! Dazu gehört ja eine ganze Lebenszeit! Niemals werde ich solchen Kaffee machen. Jawohl, ja! Wer würde wohl der Kuh ihr Heu bringen, während ich diesen Kaffee zubereite?«
»Ich werde ihn zubereiten«, sagte Eugénie.
»Kind!« sagte Madame Grandet und blickte die Tochter an.
Nach diesem Wort, das an den Kummer mahnte, der sich nun bald über den unglücklichen jungen Mann ergießen sollte, schwiegen die drei Frauen und betrachteten ihn mit so mitleidigem Ausdruck, daß er erstaunt fragte: »Was haben Sie denn, liebe Cousine?«
»Still!« sagte Madame
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