Eugénie Grandet (German Edition)
Überlaß jetzt mir das Steuer und unterstütze nur ein wenig die Manöver. Du darfst doch nicht deine Beamtenwürde verletzen, indem du dich in eine solche Sache ...«
Er beendete die Rede nicht; er hörte, wie Monsieur des Grassins, während er dem alten Böttchermeister die Hand reichte, sagte: »Grandet, wir haben von dem entsetzlichen Unglück erfahren, das sich in Ihrer Familie zugetragen hat, von dem Zusammenbruch des Hauses Guillaume Grandet und dem Tod Ihres Bruders. Wir kommen, um Sie unserer innigen Anteilnahme an dieser traurigen Begebenheit zu versichern.«
»Es gibt kaum ein größeres Unglück«, fiel der Notar dem Bankier ins Wort, »als der jähe Tod des Monsieur Grandet. Wäre er nur auf den Gedanken gekommen, seinen Bruder um Hilfe anzugehen – er hätte sich nicht das Leben zu nehmen brauchen. Unser alter Freund, der ehrenhaft bis in die Fingerspitzen ist, beabsichtigt, die Schulden der Firma Grandet in Paris zu tilgen. Um ihm die Mühsal dieser rein juristischen Angelegenheit abzunehmen, hat sich mein Neffe, der Präsident, erboten, umgehend nach Paris zu reisen, um sich mit den Gläubigern zu vergleichen und sie angemessen zu befriedigen.«
Diese Worte, die der Weinhändler durch eine entsprechende Haltung unterstützte, während er sich wohlgefällig das Kinn rieb, überraschte die drei des Grassins aufs äußerste; hatten sie doch noch auf dem Herweg über den Geiz Grandets gezetert und ihn fast des Brudermords bezichtigt.
»Ah, ich wußte es wohl!« rief der Bankier mit einem Blick auf seine Frau. »Was habe ich dir unterwegs gesagt, Madame des Grassins? Grandet ist ein Ehrenmann bis in die Haarwurzeln und wird nicht dulden, daß sein Name auch nur den kleinsten Flecken trägt! Reichtum ohne Ehrenhaftigkeit ist ein schlimmes Übel. Es gibt noch ein Ehrgefühl – wir in der Provinz haben es! – Das ist schön, sehr schön, Grandet. Ich bin ein alter Haudegen und verstehe es schlecht, meine Gedanken zu verheimlichen; ich sage es frei heraus: das ist – potzelement! – das ist einfach großartig!«
»D.. d.. die Großartigk.. k.. keit ist aber n.. n.. nicht billig«, erwiderte der Biedermann, als der Bankier ihm warm die Hand schüttelte.
»Aber, mein tapferer Grandet«, fuhr des Grassins fort, »ich möchte Monsieur le Président gewiß nicht kränken – aber ich meine, das ist eine rein kaufmännische Angelegenheit und bedarf eines erfahrenen Geschäftsmannes. Denn heißt es hier nicht, sich auf Rückwechsel verstehen – und Vorschüsse und Zinsberechnungen? Ich muß in eigenen Geschäften nach Paris und könnte mich bei der Gelegenheit auch Ihrer...«
»Wir wollen al.. al.. also ver.. versuchen, uns auf einer pass.. passenden Grundlage z.. z.. zu verständigen, ohne d.. d.. daß ich mich in eine S.. Sache einzulassen br.. br.. br.. brauche, die ich nicht gern machen möchte«, stotterte Grandet; »denn sehen Sie, Monsieur le Président verlangt von mir Ersatz der Reisekosten.«
Diese letzten Worte sagte der Biedermann ohne Stottern.
»Oh!« meinte Madame des Grassins, »es ist doch ein Vergnügen, in Paris zu sein. Ich meinerseits würde gern etwas bezahlen, um nur hingehen zu dürfen.«
Und sie machte ihrem Mann ein Zeichen, um ihn zu ermuntern, den Gegnern, koste es, was es wolle, den Auftrag wegzuschnappen; dann blickte sie höhnisch auf die beiden Cruchots, die eine jammernswerte Miene machten. Da nahm Grandet den Bankier am Rockknopf und zog ihn in eine Ecke.
»Ich hätte weit mehr Vertrauen zu Ihnen als zum Präsidenten«, sagte er. »Übrigens läßt sich da sicher ein Geschäft machen«, fügte er hinzu und schüttelte sein Nasengewächs. »Ich will mich mal an Rentenpapieren beteiligen. Ich möchte für einige tausend Francs Renten kaufen, möchte aber nur achtzig Francs anlegen. Man sagt, daß sie Ende des Monats fallen werden. Sie verstehen sich ja wohl darauf, wie?«
»Wahrhaftig, ja! Ich werde also für einige tausend Livres Rente für Sie beheben?«
»Nicht zuviel fürs erste. Aber bitte: schweigen! Ich will dies Spiel spielen, ohne daß man etwas erfährt. Sie werden mir für Ende des Monats ein Geschäft abschließen; aber sagen Sie den Cruchots nichts davon, es würde sie zu sehr ärgern. Und da Sie nach Paris gehen, können wir gleichzeitig nachforschen, wie für meinen armen Neffen die Sachen stehen.«
»Vollkommen einverstanden! Ich werde morgen mit der Post abreisen«, sagte des Grassins mit erhobener Stimme, »und ich werde mir Ihre letzten
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