Eugénie Grandet (German Edition)
widerstrebte mir, meine Schmucksachen in der Stadt zu verhandeln, in der Sie wohnen. Man muß seine schmutzige Wäsche im Hause waschen, sagte Napoleon. Ich danke Ihnen also für Ihre Freundlichkeit.«
Grandet kratzte sich hinterm Ohr, und einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Mein lieber Onkel«, begann Charles von neuem und blickte etwas besorgt, als fürchte er, ihn zu verletzten, »meine Tante und meine Cousine haben gern ein kleines Andenken von mir angenommen; wollen Sie Ihrerseits ein Paar Manschettenknöpfe, die mir überflüssig geworden sind, entgegennehmen? Sie werden Sie manchmal an einen armen Jungen erinnern, der, fern von Ihnen, oft an die denken wird, die nunmehr seine einzigen Verwandten sind.«
»Junge, lieber Junge, mußt nicht alles so hergeben ... – Was hast denn du bekommen, Frau?« Er wandte sich ihr habgierig zu. »Ah, einen goldenen Fingerhut. – Und du, Töchterchen? Seht, seht, Diamantspangen. – Also, mein Junge, ich nehme deine Knöpfe an«, sagte er, Charles die Hand drückend. »Aber du wirst mir erlauben, d... deine Überfahrt nach – ja ... nach Indien zu bezahlen. Ja, ich will deine Überfahrt bezahlen. Um so mehr, mein Junge, als ich beim Abschätzen deiner Schmucksachen nur den Goldwert berechnet habe, aber vielleicht hat die Arbeit auch einen gewissen Wert und wirft noch einen Gewinn ab. Also abgemacht: ich werde dir fünfzehnhundert Francs geben – ... in Livres, die Cruchot mir wohl leihen wird; denn ich habe nicht einen Centime im Hause, es sei denn, daß Perrotet, der mit dem Pachtzins im Rückstand ist, ihn jetzt bezahlt. Ja, ja, ich werde ihn einmal aufsuchen.«
Er nahm seinen Hut, zog die Handschuhe an und ging.
»Sie wollen also wirklich fort?« fragte Eugénie Charles und warf ihm einen halb traurigen, halb bewundernden Blick zu.
»Ich muß«, antwortete er und senkte den Kopf.
Seit einigen Tagen war Charles in Haltung, Manieren und Worten zum Mann gereift; wohl drückte sein Wesen tiefen Kummer aus, aber auch die Kraft, aus der Last seiner ungeheuren Verpflichtungen neuen Mut zu schöpfen. Er seufzte nicht mehr, er war fest geworden. Auch Eugénie hatte den Charakter ihres Cousins nie so günstig beurteilt als an dem Tage, da er in derbes Schwarz gekleidet kam, das seinem bleichen Antlitz und düstern Gesichtsausdruck gut stand. An demselben Tag legten auch die beiden Frauen Trauer an und wohnten mit Charles einem Requiem bei, das in der Pfarrkirche für die Seele des verstorbenen Guillaume Grandet abgehalten wurde.
Beim zweiten Frühstück erhielt Charles Briefe aus Paris und las sie.
»Nun, lieber Cousin, sind Sie mit dem Gange Ihrer Angelegenheiten zufrieden?« fragte Eugénie mit leiser Stimme.
»Du darfst niemals solche Fragen stellen, mein Kind«, bemerkte Grandet. »Zum Teufel! Ich sage dir doch nichts von meinen Geschäften, wie kannst du es wagen, die Nase in die Angelegenheiten des Cousins zu stecken! Laß ihn gehn, den Jungen!«
»Oh! Ich habe keine Geheimnisse«, sagte Charles.
»Ta ta ta ta! Mein Junge, du weißt, daß man in Geschäftsdingen die Zunge im Zaum halten muß.«
Als die beiden Liebenden dann allein im Garten waren, zog Charles Eugénie auf die alte Bank unterm Nußbaum nieder und sagte: »Ich habe Alphonse richtig beurteilt, er hat alles prächtig erledigt, mit Klugheit und Umsicht. Ich habe keine Schulden mehr in Paris, alle meine Möbel sind verkauft, und er benachrichtigt mich, daß er, dem Rate eines langjährigen Seefahrers folgend, für die noch übriggebliebenen dreitausend Francs einen Vorrat europäischer Kuriositäten gekauft habe, die man in Indien vorteilhaft veräußern könne. Er hat meine Gepäckstücke nach Nantes befördern lassen, von wo dieser Tage ein Schiff nach Java abgehen wird. In fünf Tagen, Eugénie, müssen wir Abschied nehmen – vielleicht für immer, jedenfalls für lange. Meine Ausrüstung und zehntausend Francs, die mir zwei meiner Freunde schicken, sind ein gar kläglicher Anfang. Ich kann erst in einigen Jahren an Heimkehr denken. Meine liebe Cousine, Sie dürfen nicht Ihr Leben an mein so unsicheres Dasein knüpfen. Ich kann umkommen, und Ihnen bietet sich vielleicht eine reiche Heirat...«
»Sie – lieben mich?...« fragte sie.
»O ja, sehr«, erwiderte er mit einer Innigkeit des Tons, die ein tiefes Gefühl verriet.
»Ich werde warten, Charles! – Gott! Mein Vater ist am Fenster«, rief sie, den Cousin zurückstoßend, der sie küssen wollte.
Sie rettete sich in den Hausgang,
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