Eugénie Grandet (German Edition)
lag ihm am Halse und benetzte sein Antlitz mit Tränen der Dankbarkeit, während Eugénie mit aller Kraft die Hand des Cousins und die Hand des Vaters drückte. Nur der Notar lächelte und bewunderte die Schlauheit Grandets, denn er allein hatte den Biedermann verstanden.
Die vier Saumuraner, zu denen sich noch ein paar Neugierige gesellt hatten, blieben bei dem Wagen stehen, bis er abfuhr. Als er auf der Brücke verschwand und man nur noch sein fernes Räderrollen hörte, sagte der Weinbauer: »Glückliche Reise!«
Glücklicherweise war der alte Cruchot der einzige, der diesen Ausruf vernommen hatte. Eugénie und ihre Mutter waren etwas abseits an eine Stelle getreten, wo sie den Wagen noch erblicken konnten, und ließen ihre weißen Taschentücher wehen – ein Zeichen, das Charles in gleicher Weise erwiderte.
»Ach, liebe Mutter, ich wollte, ich besäße nur einen Augenblick die Allmacht Gottes«, sagte Eugénie, als sie den wehenden Gruß des Cousins nicht mehr erblicken konnte.
Um den Gang der Begebenheiten, die im Schoße der Familie Grandet vor sich gingen, nicht mehr zu unterbrechen, ist es notwendig, jetzt vorauszueilen und einen Blick auf die Machenschaften zu werfen, die der Biedermann mit Hilfe des Grassins' in Paris vornehmen ließ.
Einen Monat nach der Abreise des Bankiers besaß Grandet für hunderttausend Francs Staatsschuldscheine, gekauft zum Kurs von achtzig. Die Auskünfte, die nach seinem Tod die Nachlaßinventur ergeben hat, haben niemals über die Mittel aufgeklärt, die sein Mißtrauen ihm eingab, um die Gelder der Schuldverschreibung gegen die Schuldverschreibung selbst einzutauschen. Notar Cruchot glaubte, daß Nanon ohne Wissen das treue Werkzeug zum Transport des Geldes gewesen war. Um diese Zeit herum war die Magd fünf Tage unter dem Vorwand abwesend, etwas in Froidfond zu ordnen. Als ob der Biedermann fähig gewesen wäre, irgend etwas in Unordnung zu lassen! Was die Angelegenheiten des Hauses Guillaume Grandet anbetraf, so erfüllte sich alles so, wie Grandet es erwartet hatte.
Wie jedermann weiß, befinden sich auf der Bank von Frankreich die genauesten Auskünfte über die großen Vermögen in Paris und den Departements. Die Namen des Grassins' und Felix Grandets aus Saumur waren dort bekannt und genossen das Ansehen, das man den berühmten Finanzleuten entgegenbringt, deren Vermögen sich auf ungeheuren hypothekenfreien Grundbesitz stützt. Die Ankunft des Bankiers von Saumur, der, wie man sagte, beauftragt war, eine ehrenhafte Liquidation des Hauses Grandet in Paris zustande zu bringen, genügte also, um dem Namen des Verstorbenen die Schande eines Wechselprotestes zu ersparen. Die Abnahme der Siegel geschah in Gegenwart der Gläubiger, und der Notar der Familie machte sich daran, eine regelrechte Inventaraufnahme des Nachlasses vorzunehmen. Alsbald berief des Grassins die Gläubiger zusammen, die einstimmig den Bankier von Saumur zusammen mit François Keller, der Chef einer reichen Firma und einer der Hauptgläubiger war, zu Liquidatoren ernannten und ihnen alle Vollmachten erteilten, die nötig waren, um sowohl die Ehre der Familie zu retten, als auch die Schuldenlast zu tilgen. Der Kredit, in dem Grandet aus Saumur stand, und die Hoffnungen, die er durch Vermittlung des Grassins' bei den Gläubigern erweckte, erleichterten die Regelung der Sache. Es fand sich nicht einer unter den Gläubigern, der sich widersetzt hätte. Niemand dachte daran, seine Schuldforderung auf das Verlustkonto zu setzen, und jeder sagte sich: ›Grandet aus Saumur wird bezahlen!‹
Sechs Monate verflossen. Die Pariser hatten die im Umlauf befindlichen Wechsel eingelöst und bewahrten sie sorgfältig in ihren Portefeuilles auf. Dies war das erste Resultat, das der Böttchermeister hatte erreichen wollen. Neun Monate nach der ersten Versammlung verteilten die Liquidatoren an jeden Gläubiger siebenundvierzig Prozent. Diese Summe wurde erzielt durch den Verkauf der Wertpapiere, Besitztümer und überhaupt aller dem verstorbenen Guillaume Grandet gehörigen Dinge, bei deren Veräußerung man mit peinlichster Gewissenhaftigkeit vorgegangen war.
Die Gläubiger erkannten gerne die bewunderungswürdige und unantastbare Ehrlichkeit der Grandets an; aber nachdem sie sich eine Zeitlang mit diesen Lobreden begnügt hatten, verlangten sie den Rest ihres Geldes. Dazu mußten sie einen gemeinsam unterzeichneten Brief an Grandet verfassen.
»So, da wären wir ja soweit«, sagte der Alte und warf den Brief ins
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