Eulen
nicht. Vielleicht sollte Dr. Shulman sich das mal ansehen.«
»Nein, Dad, mir geht’s gut.« Sanitäter hatten ihn auf dem Golfplatz untersucht, und die Krankenschwester der Schule hatte ihn eine Dreiviertelstunde »zur Beobachtung« dabehalten, für den Fall einer Gehirnerschütterung.
Seine Mutter gab ihm Recht. »Mit Roy scheint alles in Ordnung zu sein«, sagte sie, »aber der andere junge Mann hat ein gebrochenes Nasenbein.«
»Ach ja?« Mr. Eberhardt zog beide Augenbrauen hoch.
Zu Roys Überraschung schien sein Vater aber nicht ärgerlich zu sein. Er strahlte ihn zwar nicht gerade an, aber in seinem Blick lag unverkennbar Zuneigung – vielleicht sogar Stolz. Roy fand, dies sei ein geeigneter Moment, seine Eltern noch einmal um Nachsicht zu bitten.
»Dad, der Kerl hat mich gewürgt! Was hätte ich denn machen sollen? Was hättest du denn gemacht?« Er bog seinen Kragen zur Seite, so dass die bläulichen Fingerabdrücke auf seinem Hals zum Vorschein kamen.
Mr. Eberhardts Miene verfinsterte sich. »Hast du das gesehen, Liz?«, fragte er seine Frau, die heftig nickte. »Wissen sie an der Schule eigentlich, was dieser Rohling mit unserem Sohn gemacht hat?«
»Die Stellvertretende Schulleiterin weiß es«, meldete sich Roy. »Ich hab’s ihr gezeigt.«
»Und wie hat sie reagiert?«
»Ich darf zwei Wochen nicht mit dem Schulbus fahren, hat sie gesagt. Außerdem muss ich eine Entschuldigung –«
»Und was ist mit dem anderen Jungen? Hat er auch eine Strafe bekommen?«
»Das weiß ich nicht, Dad.«
»Das ist nämlich Körperverletzung«, sagte Mr. Eberhardt. »Man darf nicht einfach einen anderen Menschen würgen. Das ist gegen das Gesetz.«
»Du meinst, die verhaften ihn?« Dass Dana Matherson ins Gefängnis kam, wollte Roy nicht, denn dann würden sich nur Danas Freunde an ihm rächen, und die waren genauso groß und gemein wie Dana selbst. Als Neuer an der Schule konnte Roy sich solche Feinde nicht leisten.
Seine Mutter sagte: »Roy, mein Lieber, natürlich verhaften sie ihn nicht. Aber es muss ihm eine Lehre sein. Sonst verletzt er noch mal jemanden wirklich schlimm, vor allem, wo er es immer auf kleinere Kinder abgesehen hat.«
Mr. Eberhardt beugte sich angespannt vor. »Wie heißt der Junge?«
Roy zögerte. Er war sich nicht ganz sicher, was sein Vater eigentlich genau beruflich machte, aber es hatte irgendwas mit Rechtspflege zu tun. Manchmal, wenn er mit Roys Mutter redete, sprach Mr. Eberhardt vom D.O.J., und das, soviel wusste Roy, war das Department of Justice, das amerikanische Justizministerium.
Roy verabscheute Dana Matherson zutiefst, aber dass die Regierung der Vereinigten Staaten sich um ihn kümmerte, das war wohl doch zu viel des Guten. Dana war einfach jemand, der groß und dumm war und andere schikanierte. Von der Sorte gab es jede Menge auf der Welt.
»Roy, sag es mir, bitte!«, drängte sein Vater.
»Der Junge heißt Matherson«, warf Mrs. Eberhardt ein. »Dana Matherson.«
Im ersten Moment war Roy erleichtert, dass sein Vater den Namen nicht aufschrieb, weil das hoffentlich bedeutete, er würde den Fall nicht weiter verfolgen. Doch dann fiel ihm ein, dass sein Vater ein phänomenal gutes Gedächtnis hatte – zum Beispiel konnte er noch immer die Durchschnittsleistung aller Schläger seiner Lieblingsbaseballmannschaft, den New York Yankees, in der Aufstellung des Jahres 1978 runterrasseln.
»Liz, du solltest morgen in der Schule anrufen und nachfragen, ob – und wenn, wie – dieser Junge bestraft wird«, sagte Mr. Eberhardt zu seiner Frau.
»Das mache ich, gleich morgen früh«, versprach Mrs. Eberhardt.
Roy stöhnte innerlich. Es war seine eigene Schuld, dass seine Eltern so heftig reagierten. Er hätte ihnen nie die Spuren an seinem Hals zeigen dürfen.
»Mom, Dad – ich komm schon klar, ehrlich. Können wir die Sache nicht einfach vergessen?«
»Ganz bestimmt nicht«, sagte sein Vater entschieden.
»Dein Vater hat Recht«, meinte Roys Mutter. »Die Angelegenheit ist wirklich ernst. Und nun komm mit in die Küche, ich geb dir Eiswürfel für deine Beule. Anschließend kannst du dich dann an deine Entschuldigung machen.«
An einer Wand in Roys Zimmer hing ein Poster vom Rodeoreiten in Livingston, auf dem ein Cowboy auf einem wilden Bullen mit einem kräftigen Buckel ritt. Der Cowboy reckte eine Hand hoch in die Luft und sein Hut flog ihm vom Kopf. Jede Nacht, bevor er das Licht ausmachte, lag Roy auf seinem Kissen und starrte auf das Poster. Er
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