Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
Anarchie ab. Bürger plünderten Waffenlager der Armee, und jegliche staatliche Ordnung brach zusammen. Nach Schätzungen der Innenbehörden befanden sich 1997 über 600 000 Handfeuerwaffen und kleine Maschinengewehre in der Hand der Bürger. Angesichts des Zusammenbruches des staatlichen Gewaltmonopols wuchs das organisierte Verbrechen erheblich an, und kriminelle Banden kontrollierten ganze Landstriche. Eine Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vermittelte Anfang März 1997 zwischen den politischen Parteien einen Kompromiss zur Einsetzung einer Übergangsregierung und zur Abhaltung neuer Parlamentswahlen. Diese Regierung lud eine von Italien geführte internationale Militärpräsenz nach Albanien (Mission Alba) ein, welche am 15. April 1997 stationiert wurde, die Rahmenbedingungen zur Wiederherstellung von minimaler öffentlicher Sicherheit und Ordnung schaffte und internationale Hilfslieferungen absicherte.
Als Folge der Krise sank das Wachstum des Bruttosozialproduktes 1997 auf minus 7 Prozent ab, und die Arbeitslosenrate stieg auf 14,9 Prozent. Die folgenden Wahlen Ende Juni 1997 gewann die PS mit einer Koalition kleiner Mitte-Links-Parteien. Premierminister wurde Fatos Nano. Die PS behauptete
sich auch in den nächsten regulären Parlamentswahlen vom 24. Juni und 8. Juli 2001 und gewann auch in den Lokalwahlen der Jahre 2000 und 2003 die Mehrheit der Städte und Gemeinden, darunter auch in der Hauptstadt Tirana. Sie erzielte dieses Ergebnis trotz zahlreicher Regierungswechsel und verschiedener Regierungskrisen während der beiden Legislaturperioden auf nationaler Ebene. Die schwerste Krise erlebte die PS-geführte Regierung am 14. September 1998 nach dem Mord an dem PD-Parlamentarier Azem Hajdari, als aufgebrachte Oppositionsanhänger, welche die Regierung als Drahtzieher des Mordes verdächtigten, den Sitz des Premierministers und das Fernsehen stürmten und die Absetzung der Regierung erklärten, sich dann aber wieder zurückzogen. Infolge der Krise trat Nano im Oktober 1998 zurück. Seine Nachfolger wurden der damals 30-jährige Pandeli Majko, der sein Amt im Oktober des darauf folgenden Jahres quittierte, da die PS auf einem Parteitag nicht ihn, sondern Nano zum Vorsitzenden gewählt hatte. Er bezichtigte die Partei, ihn nicht genügend in seinen Reformversuchen zu unterstützen. Majko hatte in seiner Legislaturperiode eine sehr pragmatische und vorsichtige Politik betrieben, was sich insbesondere im Laufe des Kosovo-Konfliktes zeigte, als Albanien trotz erheblicher Probleme mit lokaler Kriminalität vorbildlich mit westlichen Hilfsorganisationen und der NATO zusammenarbeitete. Ihm folgte Ilir Meta nach, ein anderer junger Vertreter des Reform-Flügels in der PS. Dieser trat am 22. Februar 2002 zurück, und machte erneut Platz für eine kurzlebige zweite Regierung unter Majko, die bis Juli 2002 Bestand hatte. Letztlich gelang es Fatos Nano jedoch, sich im innerparteilichen Machtkampf gegen das Reformerduo Meta /Majko durchzusetzen und den Posten des Premierministers wiederzugewinnen. Majko und Meta verblieben zunächst in der Regierung als Verteidigungs- und Außenminister, jedoch verloren beide im folgenden Jahr im Rahmen von grundlegenden Regierungsumbildungen ihre Posten an Vertreter des konservativen Parteiflügels.
2. Aktuelle Situation
In den Parlamentswahlen von 2001 konnte die PS 70 von 100 direkten Sitzen im Parlament gewinnen. Zusätzlich gewann sie 40 Sitze, die über ein Proportionalsystem vergeben werden. Die PD-geführte Oppositionskoalition gewann 42 Prozent der Stimmen, aber nur 25 Direktmandate. Auch in den vierten albanischen Lokalwahlen nach Ende des Kommunismus am 12. Oktober 2003 bestätigte die PS ihre dominante Position gegenüber der oppositionellen PD. Sie gewann in 186 von 373 Wahlbezirken eine
relative Mehrheit der Stimmen für Bürgermeister der Städte und Gemeinden, während die PD in 146 Wahlbezirken die Mehrheit auf sich vereinigen konnte. Die ethnisch mehrheitlich griechische Menschenrechtspartei gewann in 11 Wahlbezirken, die Sozialdemokraten in acht, und kleinere Parteien sowie unabhängige Kandidaten in den weiteren.
Die Wahl von Alfred Moisiu zum Präsidenten am 24. Juli 2002, der Rexhep Meidani nachfolgte, besiegelte einen Ausgleich zwischen der PS und PD, die seit 1997 wiederholt die Parlamentsarbeit boykottiert hatte mit der Begründung, die PS-Regierung sei illegitim, da sie Wahlbetrug begangen habe. Nano und Berisha
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