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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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gegen eine klare Fokussierung. Sie schwächen den Drang nach Verständlichkeit, die notwendig wäre, um den Bürgern die Wirksamkeit der EU zu demonstrieren.
    Viele der Probleme liegen beim Rat selbst. Als Gipfel des Systems ist der Europäische Rat in der Lage, große Kontroversen zu schlichten, aber wenn es darum geht, klare Prioritäten für Europa zu definieren, ist er dazu höchstens
mittelmäßig in der Lage. Ihm fehlt jeglicher Mechanismus für die Vorbereitung seiner Tätigkeit oder die Umsetzung seiner Entscheidungen. Er hat keine »Sherpas«, keinen Koordinierungsrat von Abgeordneten, die ihm gegenüber für die Umsetzung verantwortlich sind. Er arbeitet auf der Basis des Konsenses. Er verlässt sich darauf, dass die Kommission und die anderen Räte ihm folgen und verfügt über keine eigene interne Disziplin: Er produziert glamouröse Schlussfolgerungen, die sämtliche Steckenpferde der einzelnen Staats- und Regierungschef enthalten; und zu oft tritt die sechsmonatige Präsidentschaft in die Erfolgsfalle und will unbedingt neue Initiativen und den Empfang vieler ausländischer Staatsgäste vorweisen.
    Doch der Europäische Rat ist wenigstens sichtbar. Die regelmäßig abgehaltenen Treffen des Rates in seinen verschiedenen Zusammensetzungen hingegen sind ein ausgesprochenes Hindernis für Transparenz und damit zusammenhängend für die Verantwortlichkeit, Verständlichkeit und klare Fokussierung. Zu viele Räte verursachen zu viele Treffen von Ministern, die nur ihre eigenen sektoralen Interessen verfolgen, und zwar auf Kosten von Kohäsion und Klarheit. Auch der Vorsitz ändert sich zusammen mit der Präsidentschaft alle sechs Monate, was eine zusätzliche Ursache für Inkonsequenz ist.
    Die vorherrschende Kultur besteht darin, sorgfältige Kompromisse unter den Regierungsbeamten auszuhandeln. Natürlich sind solche Kompromisse für den Erfolg der EU notwendig. Aber der Wunsch, einen Konsens zu erreichen und gleichzeitig den Ansichten von Mitgliedstaaten entgegenzukommen, trägt zur Komplexität der EU-Gesetzgebung bei. Deswegen wird die EU von ihren Bürgern gelegentlich als Popanz empfunden.
    Die Politiker zu Hause in den Mitgliedstaaten erliegen oft der Versuchung, die Kommission als Sündenbock zu benutzen. Die Erfolge der europäischen Integration, insbesondere die des Binnenmarktes, sind in großem Maße auf eine starke und unabhängige Kommission zurückzuführen, in der Kommissare aus kleineren Ländern oft eine bemerkenswerte Rolle gespielt haben. Doch wenige nationale Politiker waren mutig genug, dies anzuerkennen. Sie ließen es zu, dass man die Kommission für Maßnahmen, die im eigenen Land auf Ablehnung stießen, verantwortlich machte. Viele Bürger setzen Europa mit der Kommission gleich.
    Die Befürworter Europas sind voll des Lobes über die institutionelle Balance, die sich im Zentrum der europäischen Struktur eingefunden hat: die Balance zwischen Kommission, Rat und Parlament; zwischen Mitgliedstaaten und supranationalen Institutionen; zwischen größeren und kleineren Ländern. Und natürlich ist diese fein abgestimmte institutionelle Balance von Bedeutung.

    Insbesondere die kleineren Länder neigen dazu, die Rolle der Kommission und deren Initiativrecht als einen Schutz dagegen anzusehen, dass die EU von einem Direktorium der großen Länder geleitet wird. Dies mag eine eher theoretische als reale Befürchtung sein. Die »Großen« finden es schwierig, sich untereinander zu einigen, und suchen Allianzen mit kleineren Ländern – je nach dem anstehenden Thema. Dies wiederum verleiht den kleinen Mitgliedstaaten eine gewisse Gewichtigkeit. Außerdem war und ist die Kommission nicht die einzige Energiequelle und Ideenschmiede in der Union. Traditionell hat die deutsch-französische Allianz immer eine entscheidende Rolle gespielt. Aber die Verteidigungsfrage wäre nicht vorangekommen, wenn Großbritannien und Frankreich nicht die Führung übernommen hätten – wahrscheinlich zwangsläufig, weil sie die beiden europäischen Länder sind, deren Streitkräfte am ehesten in der Lage sind, bei Krisen einzugreifen. Die Ausweitung der Deutsch-Französischen Freundschaft zu einer trilateralen Partnerschaft, die auch Großbritannien umfasst, wäre für die Kohärenz einer Europäischen Union mit 25 Mitgliedstaaten eine gute Entwicklung, insbesondere, wenn es um die großen Herausforderungen geht, die Europa als globaler Akteur erwarten. Aber auch die kleineren Länder konnten während ihrer

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