Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
der Tschechischen Republik) grenzen nämlich an Länder, die ein »geographisches Problem« der Europäischen Union darstellen. Das Charakteristische an dieser Situation ist, dass die neuen Mitglieder im Namen der gesamten Union mit einer der wichtigsten Fragen des europäischen Integrationsprozesses konfrontiert werden: der neuen Nachbarschaft. Diese bevorstehende Herausforderung ist mit großer politischer Verantwortung verbunden.
Roger Liddle
Für Europa und für Reform
Die EU ist in der Lage, ihren Bürgern größeren Wohlstand, mehr Sicherheit und Stärke zu verleihen. Dies ist jedoch nur mit radikalen Reformen möglich, die sicherstellen, dass die EU gut gerüstet ist, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen.
Tony Blair hat deutlich gemacht, dass das Bekenntnis zu Europa für ihn unumstößlich ist. Es ist nicht nur die historische Bedeutung der EU-Errungenschaften, die Blair zu einem leidenschaftlichen Befürworter Europas macht. Es ist eine auf die Zukunft gerichtete Überzeugung. In einer zunehmend globalen Welt wird die Europäische Union immer wichtiger. Politik verliert dann an Kraft, wenn die Nationalstaaten nicht mehr bereit sind, mit ihren regionalen Nachbarn zusammenzuarbeiten und ihre Souveränität in jenen Bereichen zu bündeln, wo dies im Großen und Ganzen ihren nationalen Interessen entspricht. Wenn die EU nicht schon existierte, würden Staatsmänner sich heute bemühen, sie zu erfinden.
Die Europäische Union muss nun die umfangreichste Erweiterung in ihrer Geschichte organisieren. Wie viele Sorgen diese Erweiterung auch verursachen mag, sie ist im Interesse sowohl der alten EU-Mitgliedstaaten als auch der zehn Staaten Mittel- und Osteuropas, die der Europäischen Union am 1. Mai beigetreten sind. Ohne die Erweiterung wäre Westeuropa weiterhin ständig mit drohender Instabilität, Konflikten und massenhafter Migration an seinen Grenzen konfrontiert gewesen. Und ohne die Erweiterung würde der politische Konsens, der die wirtschaftlichen und politischen Reformen in den schwächeren Ubergangsländern unterstützt, zersplittern. Wäre dieser Fall eingetreten, hätten wir alle zu den Verlierern gehört. Viele der Reformen, die die EU in Angriff nehmen muss, waren zum Teil aufgrund der Erweiterung notwendig, aber auch wenn es keine Erweiterung gegeben hätte, müsste sich die EU reformieren, um den Bürgern Europas im 21. Jahrhundert besser zu dienen.
Das größte Hindernis in der Ausschöpfung von Europas Potenzial ist nicht der Erweiterungsprozess, sondern die zunehmend gleichgültige und kritische öffentliche Meinung. Das Paradoxe an der öffentlichen Meinung in Großbritannien, aber auch anderswo ist, dass die Menschen die Notwendigkeit
einer europäischen Zusammenarbeit einsehen. Trotzdem stehen sie der EU skeptisch gegenüber und betrachten ihre Institutionen mit einiger Verwirrung.
Die Befürworter Europas können dies nicht einfach ignorieren. Natürlich tragen die populistisch argumentierenden Medien einen Teil der Schuld. Natürlich gibt es in allen unseren Ländern nationalistische und fremdenfeindliche Züge, die politische Opportunisten auszunutzen versuchen. Aber wenn europäische Führer nicht Mittel und Wege finden, öffentliche Zweifel und Misstrauen aus dem Weg zu räumen, wird es kaum politische Zustimmung für weitere europäische Fortschritte geben. Ausgangspunkt für ein größeres öffentliches Verständnis vom Wesen der EU sollte mehr Transparenz sein. Tony Blair definierte die Ziele der EU mit Wohlstand, Sicherheit und Stärke.
Das Doppelziel wirtschaftlicher Dynamik und sozialer Miteinbeziehung könnte in Angriff genommen werden durch eine vertiefte wirtschaftliche Integration innerhalb des Binnenmarktes. Der Binnenmarkt ist ein Projekt, das nur teilweise vollendet ist, wie das ambitionierte, doch traurigerweise nicht erfüllte Wirtschaftsreformprogramm, das in Lissabon verabschiedet wurde, und nicht zuletzt der Marktöffnungsprozess in den Bereichen Telekom, E-Commerce, Energie, Verkehr und Finanzdienstleistungen bezeugen. Der Euro selbst hat sich zu einer dynamischen Kraft entwickelt, welche die Preistransparenz und den Wettbewerb verbessert. Er hat in Europa eine Welle von Unternehmensumstrukturierungen in Gang gesetzt.
EU-Regulierungen setzen die Regeln für diese vertiefte Marktintegration fest. Teil dieses Prozesses sind jene EU-Gesetze, die akzeptable Umwelt-, Sozial- und Verbraucherstandards garantieren. Wo genau die Balance liegt, wird
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