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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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»demos« (nach 20 Jahren Direktwahlen hat das EP diesbezüglich nicht viel vorzuweisen) ist die Idee, das EP könne einen europäischen Präsidenten oder eine europäische Regierung wählen, in dieser Generation unrealistisch. Wie also sollen wir der Herausforderung einer institutionellen Reform begegnen?
    Die gewählten Regierungen und Parlamente der Mitgliedstaaten müssen weiterhin die grundlegenden Quellen der demokratischen Legitimität in der EU bleiben. Hiermit soll nicht die Schlüsselrolle der supranationalen Institutionen herabgewürdigt werden, sie dürfen jedoch nicht die Primärquelle der Legitimität sein.
    Die Kommission muss ihre Schlüsselrolle beim Aufbau Europas beibehalten. Dort, wo sie als Regulierer auftritt, beispielsweise in der Wettbewerbspolitik, sollte sie ihre volle Unabhängigkeit bewahren. Auch Gesetzesinitiativen sollten weiterhin durch sie lanciert werden. Aber sie muss auf der Basis derjenigen Prioritäten arbeiten, die im Europäischen Rat, dessen Mitglied der Präsident der Kommission ist, von den demokratisch gewählten Führern Europas festgesetzt wurden. Die beiden Körperschaften müssen als Partner enger zusammenarbeiten. Um die demokratische Legitimität der Union zu stärken, sind die Beziehungen, die neu formuliert werden muss, diejenige zwischen der Kommission und dem Europäischen Rat, aber auch diejenige zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament.
    Der Verfassungsvertrag modernisiert die Institutionen, damit sie auch nach der im Mai 2004 erfolgten Erweiterungsrunde – und der noch anstehenden – weiter funktionsfähig sind. Der Verfassungsvertrag schafft auch das System der alle sechs Monate rotierenden Präsidentschaft ab und ersetzt es durch eine längerfristige Präsidentschaft des Europäischen Rates. Die institutionellen Bestimmungen für die Außenpolitik werden durch den Vorschlag eines Europäischen Außenministers gestärkt. Auch werden die EU-Kompetenzen im Bereich Justiz und Inneres ausgeweitet, und zwar entsprechend den neuen Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit wie Migrations- und Asylpolitik, denen Europa nur gemeinsam begegnen kann.
    Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass ein endgültiges Übereinkommen zwischen den EU-Staaten über die Zukunft des Verfassungsvertrags erzielt wird. Zum jetzigen Zeitpunkt – nach den gescheiterten Verfassungsreferenden – ist diese Einigung keineswegs sicher. Doch was das neue Europa derzeit
dringend braucht, ist eine Periode der institutionellen Stabilität – die der Vertrag gewährleisten könnte.
    Eine auf dieser Balance zwischen Integration und Supranationalität aufbauende Europäische Union ist nicht gleichbedeutend mit einer schwächeren und weniger integrierten Union. Von der Globalisierung wird uns diktiert, dass wir die europäische Einigung weiter voranbringen müssen, um Wohlstand, Sicherheit und Stärke erreichen zu können. Darin können wir jedoch nur erfolgreich sein, wenn es uns gelingt, die öffentliche Meinung in unseren jeweiligen Ländern mitzureißen. Eine mutige politische Agenda muss mit den institutionellen Reformen einhergehen. Wirtschaftliche Reformen und die Schaffung von Arbeitsplätzen muss die oberste Priorität sein. Wenn es uns gelingt, Dynamik und Wohlstand wiederherzustellen, wird die Bedeutung vieler beim ersten Hinsehen durch die europäische Integration verursachten politischen Probleme schnell nachlassen. Die institutionellen Reformen und der Verfassungsvertrag sind für Europas Zukunft von größter Bedeutung. Wachstum und Beschäftigung sind essenziell.
     
    Anmerkung
     
    ROGER LIDDLE ist seit Mai 1997 außenpolitischer Berater des britischen Premierministers. Dieser Aufsatz gibt jedoch seine persönliche Meinung wieder. Übersetzt aus dem Englischen von Nicole Schley, LITERATIM Text + Redaktion, Erding.

Anhang

Bibliographie
1. Die historische Ausgangslage
    AMBROSIUS, GEROLD: Wirtschaftsraum Europa: vom Ende der Nationalökonomien, Frankfurt/Main 1996.
    BAUN, MICHAEL J.: A wider Europe. The Process and Politics of European Union Enlargement, New York 2000.
    BERTELSMANN FORSCHUNGSGRUPPE POLITIK: Ein Grundvertrag für die Europäische Union. Entwurf zur Zweiteilung der Verträge, 2. Aufl., Gütersloh 2000.
    BOWLE, JOHN: Geschichte Europas. Von der Vorgeschichte bis ins 20. Jahrhundert, München 1993.
    DEVUYST, YOURI: The European Union at the crossroads. The EU’s institutional evolution from the Schuman Plan to the European Convention, Brüssel

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