Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
von linken und rechten Parteien unterschiedlich beurteilt. So werden sich manche Politiker für ein einklagbares gemeinsames Mindestmaß einsetzen. Andere wiederum sehen in festgelegten Standards Anreize für Nachzügler. Politiker mit eher protektionistischen Motiven werden das zweifelhafte Risiko »eines Wettlaufs nach unten« hervorheben.
Wir können uns jedoch alle einig sein, dass eine starke Wirtschaft mit soliden öffentlichen Finanzen Investitionen in öffentliche Dienstleistungen erleichtern und beispielsweise eine Grundlage für die Überwindung der offensichtlichen Schwächen der britischen Ausbildungs- und Erziehungssysteme bilden kann. Auch dort, wo sich nationale Politik und Praxis unterscheiden und es in einem mannigfaltigen Europa auch weiterhin tun sollten, können Mitgliedstaaten Erfahrungen austauschen und durch Leistungsvergleiche und komparative Gruppenüberprüfungen wertvolle Lektionen voneinander lernen.
Der Sinn einer schnelleren wirtschaftlichen Integration ist es nicht, einen geschlossenen Wirtschaftsblock zu schaffen, der sich vom Rest der Welt abschottet. Je mehr die EU und die Euro-Zone mit einer Stimme sprechen, desto eher können sie zu einer stabilitätsfördernden Kraft in der Weltwirtschaft werden. Das Bündeln von Souveränität innerhalb der EU im Bereich der Handelsverhandlungen hatte einen außerordentlich großen Einfluss auf den globalen Freihandel. Die EU sollte auf dieser Leistung aufbauen und einen führenden Beitrag zur Wiederbelebung der Doha-Runde leisten – selbst wenn damit eine weitere Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik einhergeht, die noch über das hinausgeht, was in Brüssel im Oktober 2001 vereinbart worden war.
Die Europäische Union fördert die Stabilität und Sicherheit auf dem Kontinent. Die Probleme des Asyls und der illegalen Einwanderung stellen eine Bedrohung unserer Sicherheit dar, die nach einer effektiven europäischen Lösung verlangt. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Handeln, um »Asylhopping« in den Griff zu bekommen und Menschenhandel zu stoppen. Wir müssen an Europas gemeinsamen Grenzen mit maßvollen und flexiblen Mitteln die Einwanderung kontrollieren. Nationale Polizeibehörden arbeiten mittlerweile mit Europol und der Arbeitsgruppe der führenden Polizeibeamten zusammen. Meint man es aber ernst mit der Bekämpfung organisierter grenzüberschreitender Verbrechen, besonders in Bezug auf Drogen und Geldwäsche, wird Europa sich bald dem Bedarf an multinationalen Polizeieinheiten stellen und sich schwierigen Fragen wie grenzüberschreitenden Befugnissen für Durchsuchungsbefehle widmen müssen. Die Einführung des Europäischen Haftbefehls ist ein Schritt in die richtige Richtung. In diesen Bereichen waren in der Vergangenheit die Traditionen nationaler Souveränität stark ausgeprägt; die Zukunft schreibt nun jedoch ein »Mehr« an Europa vor.
Die EU sollte die treibende Kraft für Frieden und Stabilität in einem größeren Europa und an seinen Grenzen sein. Um dies zu erreichen, muss die EU stärkere Fähigkeiten bei der Gestaltung ihrer Gemeinsamen Außenpolitik entwickeln, außerdem muss sie Hilfsaktionen koordinieren und Kapazitäten im Militär- und Zivilbereich zur Krisenintervention aufbauen. Kein Mitgliedstaat hat die Macht, Krisen im Alleingang zu bewältigen. Aber anzunehmen, die USA seien stets bereit, bei Krisen in Europas »Hinterhöfen« einzugreifen, wäre eine Absage an eine gleichmäßigere Lastenverteilung, wie sie die Vereinigten Staaten von Europa erwarten. Innereuropäische Meinungsverschiedenheit im Falle Iraks haben diese Realität nicht verändert: Wenn sie etwas ausgedrückt haben, dann die Tatsache, dass Europa seine Gemeinsame Verteidigungspolitik weiterentwickeln muss.
Die erste Bewährungsprobe der europäischen Verteidigungspolitik liegt in der Frage, ob es gelingt, die europäischen militärischen Fähigkeiten auszubauen. Fronteinheiten sollten national bleiben. Es gibt keine Pläne für eine europäische Armee. Die NATO wird der Eckpfeiler einer kollektiven Verteidigung bleiben. Es wird aber eine größere Bereitschaft nötig sein, militärische Mittel zur Krisenintervention zu bündeln, um die Lücken in den europäischen Kapazitäten kosteneffektiv zu schließen. Die Mitgliedstaaten sollten versuchen, zu ihrem größeren Vorteil zusammenzuarbeiten. Wir brauchen neue Ansätze in der Verteidigungsbeschaffung, wobei die kostspieligen Fehler früherer kollektiver Programme nicht wiederholt
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