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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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Bartwuchs, sagte immerzu: Wenn die Kommunisten erledigt sind, können wir alle wieder nach Hause gehen.
    Sehen Sie mein Gesicht, Herr General?, sagte ein polnischer Oberst. Bei allem Respekt, aber als Ihre Rote Armee mich '39 gefangen genommen hat, haben sie mir jeden zweiten Zahn ausgeschlagen. Ich wollte nichts unterschreiben, da haben sie mir mit kleinen Stöckchen die Augenlider aufgesperrt …
    Ich bin, ehrlich gesagt, erstaunt, Sie hier zu sehen. Ich hatte den Eindruck, die Faschisten würden die polnische Offizierskaste liquidieren.
    So einfach ist das nicht. Es ist sogar so, dass … Aber in unserer Baracke gibt es einen Landsmann von Ihnen, Oberst Wladimir Bojarski. Er kann Ihnen das alles erklären …
    Auch wenn es dieser Bojarski war, dessen Versicherungen Wlassow
schließlich davon überzeugten, sich zu Gesprächen bereitzuerklären, zuerst mit dem Diplomaten Gustav Hilger, dann mit einem Leutnant Dürksen direkt aus der Propagandaabteilung des OKW und schließlich mit Hauptmann Wilfried Strik-Strikfeldt, ohne den es die Wlassow-Armee vielleicht nie gegeben hätte, wurde aus Bojarski doch nie mehr als der Türhüter des Schicksals. [ 31 ] Von Hilger lässt sich dasselbe sagen. Aber nicht einmal eine Woche nach dieser Befragung wurde Wlassow zu Leutnant Dürksen befohlen. Eine Wache führte ihn zum Büro des Kommandanten. Und da erspähte er schon quer über den Appellplatz einen Mann, einen blassen und schlanken Mann, schmallippig und mit tiefliegenden Augen, den weißen Totenkopf auf dem schwarzen Kragenstück und gleich unter dem Kehlkopf ein Eisernes Kreuz; einen Mann mit einem Hakenkreuz auf der Brusttasche, einen Mann, dessen träumerisch wissender Gesichtsausdruck ihn zum Herren der Welt erklärte. Für Wlassow war dies eines der finstersten Individuen, die er je gesehen hatte. Während seiner diversen Schlachten, Ausbrüche und Räumungen hatte er Leichen von Männern der Waffen-zu Gesicht bekommen, und nur solche; gefangen nehmen ließen sie sich nie. Bei Kiew gab es eine Schlucht, die hieß Babyn Jar. Wlassow konnte sich noch gut an sie erinnern. In der Iswestija hatte er gelesen, eine Woche nachdem das Gebiet in faschistische Hände gefallen sei, hätte die Waffen-dort mit Maschinengewehren dreißigtausend Juden niedergemäht, aber die Geschichte klang unglaubwürdig.
11 Zu seiner Frau hatte er gesagt: Diese Art von Verhalten würde die deutschen Kriegsanstrengungen nur behindern und die Menschen gegen sie aufbringen. Außerdem, was für eine Bedrohung sollten unbewaffnete Juden für die Wehrmacht darstellen? Weißt du, als ich in Polen war, habe ich herausgefunden, dass das meiste, was die Iswestija über die Klassengesellschaft und Ausbeutung dort geschrieben hat, gelogen war. Die Bauern haben mehr zu essen als wir …
    Ich glaube dir, Andrej, hatte sie müde erwidert. Du musst mich nicht lange überzeugen. Aber bitte sprich leiser; es könnte jemand lauschen …
    Nein, Herr General, sie haben ihre Ehre, hatte Bojarski seinerseits insistiert. Über diesem Krieg hängt eindeutig ein Nebel aus Propaganda, der alles vernebelt! Ich will nicht abstreiten, dass es gerade hier in Winniza gegen ein paar Jidden Vergeltungsmaßnahmen gegeben hat, aber in diesen Fällen ist vorher gründlich ermittelt worden. Das waren alle Schergen Stalins, wie mir berichtet wurde.
    Aber Frauen und Kinder …
    Das war nicht so, wie Sie denken. Das sind alles Partisanen! Und die Durchführung war human. Als die Juden sahen, wie einfach es war, erschossen zu werden, rannten sie selbständig zur Exekution.
12 Sind Sie hier etwa gefoltert worden? Wenn nicht, wie können Sie da glauben, man habe sie auf irgendeine Weise genötigt? Denken Sie mal darüber nach. Und diese, über die alle Welt sich ständig beklagt, ist auf ihre Art recht edelmütig. Wissen Sie, wie ein-Mann einen unserer KW -2-Panzer außer Gefecht setzt? Ich habe es selbst beobachtet. Zuerst zerschießt er eine Kette. Dann greift er direkt an und wirft eine Handgranate ins Geschützrohr! Sie müssen zugeben …
    Betrachten wir die Sache rational, unterbrach ihn Wlassow. Niemand läuft hin, um sich erschießen zu lassen …
    Ich weiß, das lässt sich schwer erklären. Dann will ich Sie etwas anderes fragen: Wollen Sie ohne Hoffnung leben?
    Wie beliebt?
    Herr General, bis der Krieg vorüber ist, werden wir die Zahl der Opfer auf beiden Seiten nicht berechnen können. Aber denken Sie zurück an die Säuberungen von anno

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