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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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37 …
    Aber …
    Entschuldigen Sie, Herr General! Erinnern Sie sich an die Massenverhaftungen, die Schrecken der Kollektivierung, die entsetzlich hohen und völlig sinnlosen Verluste im Krieg gegen Finnland? Worunter würden Sie all das einordnen?
    Mit ruhiger ernster Stimme erwiderte Wlassow: Mangel an Realismus.
    (Und wirklich, all das war ihm immer nicht nur unrealistisch erschienen, sondern auch unwirklich. Es war ihm, als sehe er seine Frau, diese braunäugige Herrscherin über seine Redlichkeit, sich matt vom Krankenbett erheben und sagen: Kannst du dir da sicher sein? Hast du selbst gesehen , wie Stalins Männer diese Millionen ermordet
haben, Andrej? Kannst du noch in den Spiegel sehen, wenn du dich irrst?)
    Nun gut, insistierte Bojarski. Und wäre es nicht realistisch, darauf zu hoffen, dass die Gegenpartei besser ist? Denn unsere Seite ist so unvorstellbar böse …
    Es stellte sich heraus, dass der Mann mit dem weißen Totenkopf gar nicht Leutnant Dürksen war, sondern nur eine Art Türhüter. Er inspizierte die Papiere, die ihm die Wache zeigte, unterzeichnete für Wlassow eine Empfangsbestätigung und brachte ihn dann in ein Wartezimmer und wies auf eine Sitzbank. Beide setzten sich. Wlassow fühlte sich eingeschüchtert und hätte von sich aus kein Gespräch begonnen, aber sein Aufseher betrachtete ihn amüsiert von Kopf bis Fuß und sagte schließlich: Wir haben etwas gemeinsam, Herr General Wlassow. Sie haben überlebt und sich im Wolchow-Kessel verteidigt. Ich selbst war von Ihren Truppen in Demjansk eingeschlossen!
    Das wären dann unsere 11., unsere 34. und außerdem unsere 1. Stoßarmee gewesen.
    Genau. Sie haben wohl die 2. Stoßarmee befehligt?
    Ich … ja.
    Fanatische Kämpfer!, lachte der-Mann. Sie haben uns schwer unter Druck gesetzt, selbst als wir Sie in die Defensive gezwungen hatten!
    Vielen Dank …
    Verzagen Sie nicht, Herr General. Sie mögen ein Slawe sein, aber als Mann gebührt Ihnen mein Respekt. Möchten Sie rauchen?
    Ja, bitte.
    Rein aus Neugier. Was ist eigentlich eine Stoßarmee?
    Ein Mittel zum Durchbruch, erwiderte Wlassow ein wenig steif.
    Ah. Der Leutnant kann Sie jetzt bald empfangen. Er hatte bisher keine Zeit, Ihre Akte zu lesen. In einem Fall wie diesem ist ihm gute Vorbereitung besonders wichtig.
    Was genau meinen Sie damit?
    Der Leutnant wird Sie jetzt empfangen.
    Und er führte Wlassow in einen weiß gestrichenen Raum.
    Leutnant Dürksen erhob sich nicht. Lächelnd sagte er, er sei durchaus bereit, Wlassows Männern den Status von Halb-Verbündeten zuzugestehen.
    Ich muss Sie bitten, das genauer zu erklären, sagte Wlassow, der all seine Ängste zurückkehren spürte.
    Alles zu seiner Zeit. Ich sehe hier, dass Sie im Jahr 1930 in die Kommunistische Partei eingetreten sind, Herr General. Ist dieser Schritt aus politischer Überzeugung erfolgt?
    Damals ja.
    Mit anderen Worten, ihre heutige Haltung könnte noch die gleiche sein – oder auch nicht. Nun gut. Dazu kommen wir noch. Als Phänomen interessiert der Kommunismus mich sehr. Wie steht es mit Ihnen, Herr General?
    Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen.
    Ihre Regierungsform ist vor langer Zeit in Misskredit gebracht worden, von Plato. In der Politeia zeigt er, dass wahre Demokratie Pöbelherrschaft ist. Und das ist es, was ihr Slawen habt. Warum, glaubt ihr, haben wir euer Land so schnell erobern können? Weil die Pöbelherrschaft euer Offizierskorps von den besten Denkern gesäubert hat!
    Bitte erlauben Sie mir zu widersprechen, erwiderte Wlassow. Diese Säuberungen wurden von der sowjetischen Führung durchgeführt …
    Unwichtig. Worum es geht, ist, dass der Kommunismus im Unterschied zu unserem System keinen Raum für die Verdienste des Einzelnen lässt. Ich habe gehört, dass Sie General Guderian bewundern. Nun, auch wir Deutschen geben Ehre, wem Ehre gebührt. Manche unter uns nennen euren Tuchatschewski ganz offen ein Genie, obwohl – nun, es war aus Angst vor dem Genialen, dass ihr ihn erschossen habt. Wir hätten ihn zum Feldmarschall befördert!
    Persönlich hätte ich mir oft gewünscht, dass wir ihm gefolgt wären und die Panzerkräfte verstärkt hätten …
    Ach, seinen Namen nehmen Sie in den Mund, Herr General, aber können Sie ihn auch zitieren? Das tyrannische jüdisch-bolschewistische Regime hat zweifellos …
    Mit einem sarkastischen Lächeln sagte der Russe auf: Es ist notwendig, das Versprechen der Vorzugsbehandlung jener, die sich mit ihren Waffen freiwillig ergeben, zu

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