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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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sie jetzt oder bei unserer nächsten Begegnung besser nicht mehr
Liebling nennen sollte. Ich wusste, dass wirklich alles für immer vorbei sein würde, sobald ich aufstand. Aber noch war sie für fünf Minuten die Meine, und dann für weitere fünf Minuten, in denen sie gähnte und fragte, ob wir aufstehen und einen Ausflug machen oder ein Brettspiel spielen sollten. Und genau diesen Punkt hatten Wlassow und seine Tadellosigkeit erreicht. (Sie war immer viel bewunderungswürdiger, aufrichtiger, ehrlicher und anständiger gewesen als ich.) Strik-Strikfeldt erklärte, unter dem geheimen Kommando der Zentrale für Versuchsverbände sei bereits eine Russische Nationale Volksarmee aufgestellt worden!
    13
    Wilfried Karlowitsch, sagte der Gefangene mit geradezu kindlichem Eifer, was halten Sie wirklich von meiner Denkschrift? War sie verständlich? Und hat die deutsche Führung sie kommentiert?
    Ach, sagte Strik-Strikfeldt. Nun, großzügig, aber uferlos russisch.
18 Überrumpelungsmanöver!
    Wissen Sie, lachte Wlassow zusammenhanglos, einmal habe ich meinen Schwiegereltern eine Kuh geschenkt, und deshalb wurden sie dann als Kulaken bestraft!
    14
    Sie werden mir die Frage nicht verübeln, lieber Freund – was machen sie mit dieser Patronenhülse?
    Ein Andenken, erwiderte er mit plötzlich tonloser Stimme.
    Darf ich mal sehen? Na, das ist ja eine 7,65-Millimeter Geco. Ich habe gehört, auch der Führer trage eine Walther mit diesem Kaliber. Gut auf kurze Distanz, sagt man. Hat sie für Sie einen ideellen Wert, oder trete ich Ihnen da zu nahe?
    Seltsam steif, mit rundem Gesicht und schütterem Haar blickte Wlassow durch dicke runde Brillengläser auf die Welt, was ihn auf fast komische Weise überrascht aussehen ließ. Selbst sein Mund war rund. Von den spitzen Dreiecken seines Kragens hangelten sich runde Knöpfe abwärts. Er sagte: Sie mahnt mich, keine Verpflichtungen einzugehen, die ich später bereuen könnte.
    Hm. Nun, das ist gewiss eine ehrenhafte Absicht, sagte Strik-Strik
feldt nachdenklich und beunruhigt. Ich frage mich, ob Sie mir damit etwas sagen wollen? Aber nein, Sie wollten meine Aufmerksamkeit nicht darauf lenken, dass … Nun, lassen Sie mich anders fragen. Gibt es da etwas, mit dem Sie nicht einverstanden sind oder das Sie vielleicht ein wenig beunruhigt?
    Wlassow schwieg.
    Strik-Strikfeldt seufzte. – Falls ich Sie unabsichtlich beleidigt haben sollte, tut es mir leid. Gut gut, da haben Sie die Patronenhülse wieder, ich hoffe, sie bringt Ihnen Glück.
    Wenn ich Ihnen erzählen würde, Wilfried Karlowitsch, dass ich sie in einem niedergebrannten Dorf gefunden habe, ungefähr zehn Tage vor meiner Gefangennahme, würden Sie mich dann verstehen?
    Gewiss. Jetzt ist mir alles klar. Bestimmt haben Sie etwas sehr Bedauerliches gesehen. Aber es wird seinen guten Grund gehabt haben …
    Was für einen Grund? Nein, ich …
    Als Stalin das Offizierskorps säubern ließ, haben Sie da gesehen, was mit den Männern geschah, die verschwanden?
    Nein.
    Wir wollen uns nie eingestehen, dass der Tod unbesiegbar ist, wissen Sie. Ich zum Beispiel, nun ja, eines Tages war ich mit zwei Kameraden, mit denen ich mich angefreundet hatte, an der Front, nicht weit von hier, auf ähnlich bewaldetem Terrain, und wir gerieten in einen Hinterhalt von Partisanen – Sojas Brut! Ich war der einzige Überlebende. Schon gut, Wlassow, Sie haben bestimmt Schlimmeres erlebt; die Sache ist die: Obwohl die beiden ganz offensichtlich, Sie verstehen, tot waren und ich bedeckt war mit ihrem …
    Wlassow starrte ihn an.
    Wie gesagt, die Sache ist die: Ich hätte mir nie vergeben können, wenn ich sie nicht eiligst ins Lazarett verfrachtet hätte, nur für den Fall der Fälle. Dabei waren sie tot, tot, tot. Aber was, wenn sie es nicht waren? Also verstehe ich Ihre Haltung nur zu gut, mein lieber Freund, weil es so schwer ist, an den Tod zu glauben. Sie können sich also nicht sicher sein, dass Stalin tatsächlich für Gräueltaten verantwortlich ist, während das, was Sie sahen, als Sie diese Patronenhülse aufhoben – nun, was haben Sie eigentlich gesehen?
    Nichts von Bedeutung, sagte Wlassow mit erstickter Stimme. Ein paar Leichen …
    Hören Sie zu. Sie haben mir versichert, dass Sie Rationalist sind. Es gibt für alles eine vernünftige Erklärung. Sie wissen nicht, wer diese Menschen getötet hat und warum. Jetzt will ich Ihnen mal was sagen. Das ist streng geheim, wenn also jemals herauskommt, dass Sie es von mir haben, lande ich im

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