Eva und die Apfelfrauen
wofür eigentlich? « , erwiderte Nele. » Wir schaffen es niemals, alle Ãpfel zu verwerten! Wir haben genug für Titus zu tun, und an dem Apfelbuch wollen wir auch noch arbeiten. Ehrlich, ich habe keine Lust, völlig groggy nach Berlin zurückzukehren. Wieder jeden Tag bei Frenz & Friends anzutanzen wird anstrengend genug. «
Mit zusammengepressten Lippen sah Eva auf den Bildschirm. Nele hatte recht. Wenn sie alles schaffen wollten, was sie sich vorgenommen hatten, würde die Zeit niemals reichen. Und selbst wennâ wofür überhaupt? Damit sie hundert Gläser Apfelmus und Gelee und Saft mehr im Wagen hatten? Auf der anderen Seiteâ die Früchte auf den Kompost zu werfen oder sie einfach im Gras verrotten zu lassen ging ihr gründlich gegen den Strich.
» Wir werden das nachher mit Marion besprechen « , sagte sie.
Nele machte den Computer aus.
» Was ist? « , fragte Eva.
» Ich treffe mich mit Gandalf. Schon vergessen? Bei dem Wetterâ wer weiÃ, wie oft man noch schwimmen gehen kann. «
Ja, Eva hatte es vergessen.
Nele war noch nicht wieder da, als Dorothee anrief und Entwarnung gab: Ja, Mimi hatte nach dem Sturz wohl leichte Wehen gehabt, aber inzwischen hatte sich ihr Zustand stabilisiert. Dorothee war also nicht von Mimi manipuliert worden. Eva freute sich für die Freundin.
Kurz nach vier kehrte Marion von der Arbeit zurück. Seit Julika weggefahren war, war sie auffallend schweigsam, als beschäftige sie irgendwas.
» Wo sind denn alle? « , fragte sie, als sie Eva allein vor dem Computer sitzen sah.
» Ach, Marion « , seufzte Eva. » Dorothee ist mit Mimi und Lennart zurück in die Stadt gefahren. Gerade heute Morgen hat Mimi entschieden, das Baby zu behalten, und kurz darauf ist sie gestürzt. Dorothee war in heller Aufregung. Jetzt will sie in Berlin bleiben, falls Mimi ihre Hilfe braucht. «
» Ach so « , sagte Marion gedankenverloren. » Und Nele? «
» Die ist mit Gandalf unterwegs. «
» Aha. Ich gehe mich mal umziehen. « Sie wandte sich ab.
Eva starrte ihr nach. Was war denn das für eine lapidare Reaktion, obwohl sich wieder eine von ihnen von ihrer gemeinsamen Lebensplanung verabschiedet hatte und sie kurz davor waren, das Haus zu verlieren? Bei Julika hatte sie noch geweint. Und bei Dorothee reichte ein » Ach so«?
Als Marion die Treppe herunterkam, war Eva bereit. Sie hatte einen Kräutertee gemacht. » Komm, wir setzen uns auf die Terrasse. «
Die Sonne schien noch sehr warm, und die Insekten waren emsig dabei, ihre Vorräte aufzustocken. Es summte und brummte in den Beeten, im Gras, in den Bäumen und in der Luft. Das Hornissennest hinterm Schuppen war zu einer unglaublichen GröÃe angewachsen. Aber vieles deutete darauf hin, dass der Herbst nicht mehr weit war. Der Gesang der Vögel, der in den letzten drei Monaten allgegenwärtig gewesen war, hatte nachgelassenâ es gab nicht mehr so viele Reviere zu verteidigen, so viele Weibchen zu beeindrucken. Die Zugvögel saÃen gewissermaÃen auf gepackten Koffern. Abends wurde es deutlich früher dunkel, und wenn die Sonne untergegangen war, wurde es empfindlich kühl. Die lauen Nächte auf der Terrasse gehörten ebenso wie das Lachen der fünf Frauen, das Wir-schaffen-das-irgendwie-Gefühl, der Vergangenheit an.
» Was ist denn los, Marion? « , fragte Eva, als sie das Tablett mit Tee, Tassen und Honig auf den Tisch gestellt hatte, auf dem noch ein Glas mit einem kläglichen Kerzenstummel standâ ein letzter Gruà von Dorothee.
» Am nächsten Montag fängt die Schule in Wannsee wieder an. Jetzt brauchen sie mich hier nicht mehr. Leonore hat eine neue Erzieherin für den Hort gefunden. Sie kommt aus Potsdam « , sagte Marion abwesend und rührte ihren Tee um.
Mehr schien sie nicht sagen zu wollen. Das Schweigen zog sich in die Länge.
» Und⦠tut es dir leid, dass du hier nicht mehr gebraucht wirst? « , fragte Eva. Das wäre eine Begründung für Marions gedrückte Stimmung.
Marion schüttelte den Kopf und rührte weiter in ihrer Tasse, der Honig musste sich inzwischen längst zu Honigatomen aufgelöst haben. » Nein, eigentlich nicht. Das ist schon okay. Die Zeit mit den Dorfkindern war schön, und die neue Erzieherin macht das sicher auch wunderbar. «
Eva atmete tief durch. Dann war ja alles gut. » Freu dich! Du hast dich
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