Eva und die Apfelfrauen
wacker geschlagen. Ein paar letzte Wochen auf dem Land hast du noch, und das hast du dir redlich verdient. Jeden Tag Tai-Chi und BogenschieÃen « , versuchte Eva erneut, die seltsame Stimmung aufzulockern. » Nele und ich haben vorhin über die Ernte gesprochen. Nele sieht nicht ein, dass wir uns damit stressen sollen. Ich finde es zwar schade, wenn wir die Ãpfel einfach liegen lassen, aber wenn du auch der Meinung bist, dass⦠«
» Nein. «
» Was⦠nein? Bist du Neles Meinung? Willst du dich auch nicht mehr um die Ãpfel kümmern? « , fragte Eva ein bisschen enttäuscht.
Zum ersten Mal, seit sie an dem Tisch saÃen, sah Marion Eva direkt an. » Nein. Ich meine etwas anders. Was mit den Ãpfeln geschieht, ist mir eigentlich egal. Ich habe einen Entschluss gefasst. Ich werde auch früher nach Berlin zurückgehen. «
Eva starrte Marion an. » Wieso denn? «
» Das will ich dir sagen. « Sie hörte endlich auf zu rühren und legte den Löffel neben die Tasse. » Ich habe mit der Ferienbetreuung angefangen, weil ich mir gewünscht habe, wieder Freude am Lehren zu finden. Das ist gelungen. Aber dabei habe ich etwas über mich herausgefunden. Ich will nicht Kinder unterrichten, die wissen, was eine Amsel und was eine Tanne ist, die abends um sieben ins Bett geschickt werden und für die eine deutsche Tageszeitung nichts Besonderes ist. Ich weià jetzt, dass mein Herz für⦠die anderen schlägt. Für die, die mich wirklich brauchen. Die sonst kaum Chancen haben, die Schule zu schaffen, eine Lehre zu machen, ein gutes Leben zu leben. « Sie senkte die Stimme. » Für Kinder wie Jihad. «
» Ist das der arabische Minimacho? Der immer ⺠du Opfer ⹠sagt? «
Marion nickte. » Ja, genau der. Der braucht eine engagierte Lehrerin wie mich mehr als alle anderen. «
» Aber du warst komplett ausgebrannt wegen Kindern wie ihm! «
» Ja, das war ich. Es lag wahrscheinlich daran, dass ich das Gefühl hatte, ich unterrichte diese Kinder gegen ihren Willen. Aber inzwischen weià ich mehr, vor allem über mich selbst. Dieser Aufenthalt auf dem Land war groÃartig, Eva. Dafür bin ich unendlich dankbar. «
War⦠hat sie gesagt, registrierte Eva. Als sei es bereits abgeschlossen, ihr Abenteuer. Sie fröstelte.
» Aber das Haus brauche ich nicht, und auf die frische Luft kann ich gut verzichten. Dafür weià ich wieder, was ich wirklich willâ das ist ein groÃes Geschenk. Wenn in Berlin die Schule anfängt, will ich wieder dabei sein! « Herausfordernd sah sie Eva an.
» So bald schon? « , fragte Eva entsetzt. » Das ist ja die reinste Landflucht, was hier vor sich geht! «
» Das hat Dorothee und Julika auch nicht gestört, oder? Sind wir doch mal ehrlich: Unsere Land- WG ist gescheitert. Es besteht kein Grund, noch hierzubleiben, auÃer, man hat vom Leben auf dem Land immer noch nicht genug. Aber ich habe genug. « Sie stand auf. » Ich fange jetzt mit dem Packen an. Ich denke, ich fahre morgen gegen Mittag ab, dann können wir noch zusammen frühstücken. Mimi wird froh sein, wenn ich mit ihrem Auto fahre, dann hat sie es wieder in Berlin. «
Eva sah ihr sprachlos hinterher. Dann griff sie nach der Teekanne und schenkte sich ein. Sie musste etwas trinken. Vielleicht half das ja gegen den Kloà in ihrer Kehle.
Die warme Nachmittagssonne trocknete ihre nassen Körper. Sie waren nackt, und Nele fand nichts dabei. Das Schwimmen war herrlich gewesen, und jetzt mit Gandalf faul auf der Decke zu liegen war womöglich noch besser.
Es knisterte zwischen ihnen, und Nele überlegte, ob irgendetwas dagegensprach, dass sie an diesem verträumten See, an dem allenfalls eine Ringelnatter Zeugin war, Sex hatten. Es war untypisch für sie, so lange zu warten. Ãber drei Monate ging das jetzt schon mit ihnen, aber irgendetwas hatte sie bis jetzt zurückgehalten, mit dem Hobbyknecht zu schlafen. Sein Verhalten auf dem Dorffest hatte sie geärgert, denn so albern es klang: Sie war streng monogam. Auch wenn manche ihrer Beziehungen nur eine Woche gehalten hattenâ in dieser Zeit war jeder Freund der einzige für sie gewesen, und das verlangte sie auch im Gegenzug.
Warum sie nun bei Gandalf zögerte, verstand Nele nicht. Es war bestimmt nicht die Aussicht, dass ihre Zeit hier fast abgelaufen war. Es war mehr eine unbestimmte Vorsicht, die sie
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