Eva und die Apfelfrauen
Platz.
Mimi eilte hin und her, schreckte Eier ab, arrangierte Wurst auf einem Teller, schnitt eine Tomate auf, öffnete ein Marmeladenglas, so wie sie selbst es in ihrem langen Familienleben Tausende Frühstücke lang getan hatte. Mimi trug ein enges T-Shirt, und Dorothee glaubte, zumersten Mal eine zarte Wölbung an ihrem Bauch zu sehen.
Jetzt schenkte Mimi ihnen Kaffee ein, sich selbst gab sie viel von Wolters guter Landmilch hinzu.
» Mama « , sagte sie und setzte sich ebenfalls, » ich will was mit dir bereden. «
Dorothees Alarmglocken brüllten durch die ländliche Morgenstille.
» Lennart und ich haben gestern beschlossen, dass wir das Baby bekommen wollen. «
» O mein Schatz, das freut mich ehrlich! «
Dorothee griff nach der Hand ihrer Tochter, und die Alarmglocken verstummten abrupt. Tränen schossen ihr in die Augen. Gott, als sie Moritz bekommen hatte, war sie nicht älter als Mimi gewesen! Sie sehnte sich plötzlich danach, ein Baby im Arm zu halten.
» Aber⦠ich möchte, dass du dabei bist. «
» Ja, ja, natürlich werde ich dabei sein. Die letzten Wochen können beschwerlich sein. Du kannst dich auf mich verlassen. «
Mimi lächelte schief. » Du verstehst mich nicht, Mama. Ich möchte, dass du die ganze Zeit dabei bist. So, wie wir die letzten Tage zusammen waren. Das hat mir gefallen! Lennart und ich brauchen eine neue Wohnung. Auch da musst du mir helfen. Und überhaupt. « Ihre Stimme klang eindringlich.
Dorothee wusste immer noch nicht, worauf ihre Tochter hinauswollte. » Ich bin in einem Monat zurück. Dann bist du im vierten oder gerade mal im fünften Monat. Bis dahin wirst du es ja wohl ohne mich aushalten. « Den letzten Satz sagte sie, ohne nachzudenken.
» Nein. «
» Wie⦠nein? «
Jetzt bekam Mimis Ton etwas Flehendes. » Ich will, dass du gleich mit uns mitkommst, Mama. «
Dorothee lächelte. » Aber Kind, das geht doch nicht. Du weiÃt doch, dass wir hier bis zum 1.Oktober wohnen müssen. «
» Das fand Julika aber nicht! « Mimi verlegte sich auf Trotz. » Die war schneller weg, als ihr Ciao sagen konntet. Weil ihr nämlich Florenz wichtig war. Wichtiger, als ich dir bin. «
» Quatsch « , brauste Dorothee auf. » Wie kannst du so was sagen, Mimi. Ihr vier seid mir das Wichtigste auf der Welt, das weiÃt du doch! Aber bis der Oktober beginnt, bleibe ich hier. «
Oben ging eine Tür. » Das ist Lennart « , sagte Mimi knapp. » Moment, ich muss ihm mal was sagen. « Sie verlieà die Küche.
Dorothee rührte nachdenklich in ihrem Kaffee, während sie wartete, dass die werdenden Eltern zurückkehrten. Es dauerte lange. Sie fragte sich gerade, was die beiden da oben anstellten, als es über ihr laut krachte. Als ob etwas Schweres fiel. Oder ein Mensch der Länge nach hingeschlagen wäre. Sie lauschte. Ein leises Wimmern drang an ihr Ohr, und sie stand alarmiert auf.
» Alles okay bei euch da oben? « , rief sie in den Flur.
Auch Eva und Nele waren aus ihrem Büro gekommen.
» Dorothee, komm mal. Schnell « , hörte sie jetzt Lennarts verängstigte Stimme.
Dorothee stürmte die Treppen hoch. Auf dem Boden im Gästezimmer lag eine ausgekippte Tasche, daneben feuchte Handtüchter, schmutzige Cargo-Hosen, ein schwarzes Sweatshirtâ und auf dem Bett lag Mimi, zusammengekrümmt, leise weinend, beide Hände vors Gesicht geschlagen.
» Ich bin über die Tasche gestolpert « , schluchzte sie. » Voll hingeknallt! Hoffentlich ist nichts mit dem Baby! In meinem Bauch zieht es plötzlich so schrecklich! «
Zu Tode erschrocken kniete Dorothee sich neben das Bett. » Wir müssen einen Arzt holen. «
» Nein, nein, das will ich nicht. Ich will nach Berlin! « , jammerte Mimi und setzte sich auf.
Vergeblich versuchte Dorothee, sie zurück aufs Bett zu drücken. Schreckensvisionen schossen ihr durch den Kopf: Mimi in entsetzlichen Krämpfen, Mimi in einer Blutlache, die immer gröÃer wurde, und ihr winzig kleines Enkelkind, für immer verloren!
» Worauf wartest du, Lennart? Pack eure Sachen. Na los, schnell. Und fahr den Beifahrersitz in deinem Kombi runter, damit wir Mimi transportieren können! « , wies sie den jungen Mann an, der in sauberer Jeans und frischem T-Shirt, aber kreidebleich an der Tür stand.
Sie stand auf und sagte zu Mimi: » Du bleibst, wo
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