Eva und die Apfelfrauen
Julika.
» Ja, euch hat er gefressen « , sagte Gandalf grinsend und stellte den Teller auf den Tisch.
» Warum eigentlich? « , fragte Nele und angelte sich eine Thüringer.
» Weil er dachte, dass Anna ihr Haus ihm hinterlieÃe « , erklärte Loh. » Sie war ja seine Tante. Aber Anna hat ihn nicht bedacht. «
Eva schlug sich mit der Hand vor die Stirn. » Stimmt! Rechenberger hat so was erwähnt, erinnert ihr euch? In seinem Brief stand etwas von einem Neffen, der nicht erbberechtigt ist. Damit war Sauert gemeint! Warum hat Anna das Haus nicht einfach Dani vermacht? «
» Das haben wir uns auch alle gefragt « , antwortete Loh. » Zumal Dani sie jeden Tag besucht hat. Sie waren sehr eng verbandelt, die beiden. Sauert mochte das nicht. Ich persönlich glaube, Anna hat befürchtet, dass Sauert seiner Tochter das Haus wegnehmen würde. Er hätte niemals zugelassen, dass sie hier allein wohnt. Dazu kontrolliert er sie viel zu sehr. Er hätte sie bestimmt unter Druck gesetzt, bis sie es verkauft, damit er das Geld einstreichen kann. Oder sie gezwungen, dass sie ihm gleich Haus und Grundstück überlässt. «
» Ich sagâs ja, er ist ein Widerling « , sagte Julika, bestrich eine Scheibe Baguette mit Kräuterbutter und beäugte sie dann misstrauisch. » Was ist das für lila Zeugs in deiner Butter, Eva? «
» Das sind Thymianblüten. Du musst sie nicht rauspopeln, Julika! Die kannst du mitessen. Das ist Kräuterblütenbutter! « , erklärte Eva. Dann schweiften ihre Gedanken wieder zu dem, was Loh gesagt hatte. » Also war die Bedingung, dass wir uns um die Apfelernte kümmern, nur ein Vorwand? « , wollte sie von ihm wissen.
» O nein. Ihr Apfelgarten lag Anna sehr am Herzen, sie hat bestimmt gehofft, dass ihr euch darum kümmert. Aber das war sicher nicht der einzige Grund für ihr Testament. Ihr fünfâ ein gröÃerer Gegenpol zu Sauert ist kaum vorstellbar. Er fühlt sich von euch bedroht « , erwiderte Loh. » Ihr passt nicht in sein Weltbild. Da ist sich das Dorf sogar einig. «
» Ach, wird über uns gesprochen? « , fragte Dorothee.
Loh antwortete nicht, aber die Art und Weise, wie er die Augenbrauen hob, sprach Bände.
» Man könnte auch sagen⦠« , meinte Gandalf, setzte sich neben Nele, packte sich drei Würstchen auf den Teller und klatschte einen gewaltigen Schlag Tzaziki darauf, » â¦dass ihr fünf Weiber aus der Stadt Annas späte Rache seid. «
Marion sah sehr zufrieden aus.
Nele, die Gandalf beobachtete, nahm sich ebenfalls einen Schlag Tzaziki. Bei so viel Knoblauch, wie da drin war, sollte sie besser gewappnet sein. Man konnte ja nie wissen.
» Habt ihr genug Apfelrezepte? « , fragte Loh, als Dorothee später den Apfelstrudel aufschnitt, um jedem ein Stück auf den Teller zu geben. Würstchen und Salate waren verputzt, die Glut im Grill glomm nur noch, und die Sonne war im Begriff, hinter dem Kiefernwäldchen zu versinken.
Dorothee hielt mitten in der Bewegung inne. » Ja, jede Menge! « , sagte sie und begann aufzuzählen, was sie alles im Internet gefunden hatte.
» Dorothee, mach weiter! Ich will auch ein Stück « , drängte Nele und zupfte am Ãrmel ihrer Bluse.
Aber Eva war der Unterton in Lohs Stimme aufgefallen. » Wieso? «
Loh sah sie quer über den Tisch hinweg an. » Mich haben sie praktisch mit Apfelmus aufgezogen⦠«
» Damit bist du also so groà und stark geworden « , sagte Nele anerkennend.
» â¦und Anna und meine Mutter haben viele Apfelrezepte ausprobiert. Wenn du willst, kann ich dir ihr Kochbuch geben. Jetzt gleich. «
Er hatte du und nicht ihr gesagtâ es war eine Botschaft, da war Eva sicher.
» Ich komme mit « , sagte sie und stand auf.
Sie ignorierte die Blicke der anderen, als sie gemeinsam mit Loh das Grundstück verlieÃ. Schweigend überquerten sie den Hof, schweigend schloss er die Tür auf, schweigend betrat Eva zum ersten Mal sein Haus.
Sie sah sich neugierig um. Keine kleinen Gummistiefel, keine Handtaschen oder Regenmäntel. An der Flurgarderobe hing nur Lohs speckige Jacke, die sie inzwischen gut kannte. Die Aufteilung, die GröÃe des Wohnzimmers, die Treppe in den ersten Stock waren Annas Haus nicht unähnlich, wenn auch alles ein bisschen kleiner war. Aber das Wohnzimmer war hübscher als Annas, was daran lag,
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