Eva und die Apfelfrauen
Paradies geblieben:
Sterne, Blumen und Kinder.
Dante Alighieri
» Sie hat was? «
Julikas fassungsloser Gesichtsausdruck spiegelte wider, was die anderen dachten. Kurz nachdem Loh das Haus verlassen hatte, war auch Leonore gegangenâ und zu viert waren sie in die Küche gestürmt, wo Marion in Gedanken versunken am Küchentisch saÃ.
» Ihr habt es doch gehört « , sagte Marion verhalten. » Sie hat mich gebeten, bei der Ferienbetreuung in Wannsee einzuspringen. Na, angefleht trifft es besser. Die Erzieherin, mit der sie das sonst macht, hatte gestern einen Bandscheibenvorfall und muss operiert werden. Danach geht sie in die Reha. Sie fällt komplett aus, bis die Schule wieder anfängt. «
» Die hat ja vielleicht Nerven « , ereiferte sich Nele, die mit Leonore noch lange keinen Frieden geschlossen hatte. » Sie weià doch, dass du ein Sabbatjahr machst. Wegen Burn-out! Hast du ihr selbst auf dem Sommerfest gesagt! Und was hast du mit den Kindern aus dem Dorf zu tun? Die siehst du doch ab Herbst nie wieder! Sie wird hier wohl irgendeine Mutti finden, die als Hilfskraft einspringt! Dann können sie die Gören auf den Bauernhöfen rumrennen lassen, und gut ist. «
» Das stellst du dir ein bisschen zu leicht vor, Nele. Leonore setzt auch in den Ferien auf strukturierte Pädagogik, und ich finde, da hat sie völlig recht « , antwortete Marion reserviert.
Nele zuckte mit den Schultern. » Es wird ihr ja wohl nichts übrig bleiben, als jemand anderen zu finden oder die Dorfkinder allein zu betreuen. Kommt nicht infrage, dass du dir deine hart erarbeitete Freizeit kaputt machen lässt! Mann, diese Frau ist ja wirklich dreist. Denkt sie, wir tanzen nach ihrer Pfeife? Ooooh nein, da haben wir Besseres zu tun! «
Marion antwortete nicht. Sie schaute in den dunklen Garten, als gäbe es dort etwas, das ihre ganze Aufmerksamkeit verlangte.
» Alles okay? « , fragte Eva.
» Was hast du ihr geantwortet? « Marions Schweigen machte Dorothee nachdenklich.
» Du hast doch Nein gesagt, oder? « , wollte Julika, plötzlich unruhig, wissen.
Endlich sah Marion ihre Freundinnen an. » Nein « , sagte sie, und ihre Stimme klang hart, » ich habe gesagt, ich übernehme eine Gruppe. «
» Du machst Witze. « Nele starrte sie an.
» Tue ich nicht « , widersprach Marion.
» Aber warum? « , fragte Eva. » Du machst die Zeit, die wir hier zusammen haben, kaputt! Wir haben uns doch vorgenommen, den Sommer über WG -Erfahrung zu sammeln, damit wir wissen, ob wir gut zusammenwohnen können! «
» Nun mach mal halblang, Eva. Du und Nele, ihr arbeitet doch auch. Das tut doch unserem gemeinsamen Wohnen keinen Abbruch « , erwiderte Marion.
» Ja, aber nur, weil wir müssen! Glaubst du denn im Ernst, ich würde freiwillig Titusâ blöde Ideen bedienen, wenn nicht meine Existenz davon abhinge? « Eva verstand Marion nicht. Aber sie war so gut mit ihr befreundet, dass sie verstehen wollte.
» Ich machâs, weil ich hoffe, dass es mir den Idealismus zurückgibt, den ich in Berlin verloren habe. Begreift ihr das denn nicht? Heile-Welt-Kinder unterrichten! Wissenshungrige Fragen statt null Bock auf gar nichts! Astrid Lindgren vorlesen! Ãber gesunde Ernährung sprechen und daran glauben, dass sie zu Hause Kartoffeln mit Quark essen und nicht nur Tiefkühlpizza und Fastfood! Auf den Rückhalt im Elternhaus zählen können! Was bewirken! «
» Nein, das begreifen wir nicht « , sagte Julika. » Wenn du ausgebrannt bist, ist doch egal, was du bewirken könntest. Du wolltest dich erholen und mit uns zusammen sein. Das allein zählt. «
» Seht es, wie ihr wollt. Ich habe Leonore zugesagt, und dabei bleibe ich. Am Montag geht es los. Um sieben. «
» Um sieben? « , quiekte Nele schockiert. » Warum denn so früh? «
» Weil wir auf dem Land sind, deshalb. « Marion stand auf. » Da geht der Tag früh los. «
» Und wie lange? «
» Bis vier Uhr nachmittags⦠für vier Wochen. Bis die Schule Anfang September wieder anfängt. «
» Du spinnst komplett « , sagte Nele mit Inbrunst.
Doch Eva dachte schon weiter. » Du wirst uns bei der Apfelernte fehlen, Marion. «
» Tja, da müsst ihr leider durch. Ich werde anderweitig gebraucht. Zu viert werdet ihr das ja wohl schaffen, wenn Anna es früher allein hinbekommen hat.
Weitere Kostenlose Bücher