Evas Auge
still. Seine Stimme klang unsicher, er schien zu befürchten, er werde zum Narren gehalten. Oder vielleicht witterte er auch Gefahr.
»Ja, es geht um einen Opel Manta. Ich würde gern mit jemandem namens Liland sprechen.«
»Ja, das bin ich.«
Einen Augenblick lang war sie davon überwältigt, daß sie seine Stimme hörte. »Sie sind also interessiert?«
»Das gilt ja wohl eher für Sie. Aber ich hatte einen Mann erwartet.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Nein, natürlich nicht. Wenn Sie wissen, worum es hier geht.«
»Ach, du meine Güte.« Sie lachte kurz. »Es geht hier ja wohl um Geld, oder nicht? Das meiste kann man kaufen, wenn man nur genug bietet.«
Sie versuchte es mit einem kessen Tonfall. Und das fiel ihr leicht.
»Das schon, aber der Preis muß wirklich gut sein.«
»Ist er, wenn der Wagen so gut in Schuß ist, wie es aussieht.«
Ihr Herz machte unter ihrem Pullover einen wilden Sprung. Der Mann klang irgendwie sauer, sie spürte, daß sie ihn nicht leiden mochte.
»Der Wagen ist prima. Nur das Öl leckt ein ganz klein wenig.«
»Na, das läßt sich wohl reparieren. Ich kann ihn mir also ansehen?«
»Ja, sicher, heute abend noch, wenn Sie wollen. Ich hab’ ihn gerade saubergemacht und ein bißchen aufgeräumt. Aber Sie müssen ja auch eine Probefahrt machen.«
»Ja, sonst würde ich ihn wirklich nicht kaufen.«
»Es steht auch noch nicht fest, ob ich verkaufe.«
Beide schwiegen, und sie horchte auf die Feindschaft, die zwischen ihnen in der Leitung knisterte, ohne zu begreifen, woher die stammte. Es war so, als haßten sie einander schon sehr lange.
»Jetzt ist es zehn nach sieben. Ich muß noch etwas erledigen, aber könnten Sie in die Stadt kommen – sagen wir, um halb zehn? Wohnen Sie übrigens in der Stadt?«
»Ja«, antwortete sie kurz.
»Sagen wir – beim Busbahnhof?«
»Von mir aus gern. Um halb zehn. Ich sehe Sie, wenn Sie kommen, ich stehe beim Kiosk.«
Er legte auf, und sie hörte eine Weile dem Freizeichen zu. Der Vater rief aus der Küche. Sie starrte den Hörer an und wunderte sich darüber, wie unberührt der Mann gewesen war. Als sei nichts geschehen. Für ihn war die Sache offenbar erledigt. Er hatte sie hinter sich. Jetzt ging es ihm ums Geld. Aber so war es ihr ja auch gegangen. Ihr schauderte, und sie ging wieder in die Küche und ließ sich auf ihren Stuhl sinken. Jetzt geschah alles fast zu schnell, sie mußte nachdenken, aber ihr Herz hämmerte los, und sie spürte, daß sie mehr Farbe in den Wangen hatte als sonst.
»Ja?« fragte ihr Vater gespannt.
»Da hatte sich jemand verwählt.«
»Ach? Ihr habt aber lange gebraucht, um das herauszufinden!«
»Der war einfach redselig. Sympathischer Typ. Fragte, ob ich sein Auto kaufen wollte.«
»So. Das überläßt du besser anderen, finde ich. Wenn du ein neues Auto brauchst, dann solltest du Jostein um Rat fragen.«
»Ich werde daran denken.«
Sie goß sich neuen Kaffee ein und betrachtete wieder den Ahornbaum. Die Risse in der Rinde sahen wirklich nicht schön aus. Im Grunde sahen sie aus wie große, eiternde Wunden.
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S ie wartete im Dunkeln. Jetzt wehte keine sanfte Brise mehr, der Wind kam in unberechenbaren Stößen über das Dach des Busbahnhofes, und ihr Pferdeschwanz schlug ihr um die Ohren, die jetzt eiskalt waren, weil sie nicht wie sonst von ihren offenen Haaren gewärmt wurden. Ihre Gedanken schweiften wild umher, sie dachte an damals, als sie noch Kinder waren. Sie sah Maja plötzlich ganz deutlich vor sich, ein Bild aus einem Sommer, vielleicht waren sie damals elf gewesen. Maja trug ihren amerikanischen Badeanzug, auf den sie so stolz gewesen war. Ihr Onkel hatte ihr den gekauft, der Onkel, der auf Walfang fuhr und immer spannende Geschenke mitbrachte. Ab und zu bekam auch Eva etwas ab. Schokolade und Kaugummi aus den USA. Der Badeanzug war knallrot und auf witzige Weise gekräuselt. Gummibänder zogen sich quer durch den Stoff, der sich deshalb zu winzigkleinen Hubbeln zusammenzog. Keine andere hatte so einen Badeanzug. Wenn Maja aus dem Wasser kam, füllten die Hubbel sich mit Wasser, und dann sah sie aus wie eine riesige Himbeere. Dieses Bild sah Eva jetzt vor sich, Maja, die aus dem Wasser kommt, es tropft nach unten und strömt über ihre Beine, ihre Haare sehen noch schwärzer aus, weil sie naß sind, und sie hat den schönsten Badeanzug am ganzen Strand. Wieder und wieder kommt Maja aus dem Wasser. Sie lächelt breit und zeigt dabei weiße Zähne, denn sie weiß nichts über die
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