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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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kurze Lederjacke stand offen, sein Bauch hervor. Er hätte im fünften Monat sein können.
    »Und jetzt wollen Sie einen Manta?« fragte er und rutschte auf dem Sitz hin und her.
    »Ich bin ein bißchen sentimental«, sagte sie kurz. »Ich hatte mal einen, aber den mußte ich verkaufen. Und das tut mir heute noch leid.«
    Ich sitze neben ihm, dachte sie verwundert, und ich rede, als sei nichts passiert.
    »Und was fahren Sie jetzt?«
    »Einen alten Ascona«, sie lächelte. »Und das ist wirklich nicht dasselbe.«
    »Nein, Himmel.«
    Sie fuhren jetzt über die Brücke, dann bog er nach links ab.
    »Fahren Sie in Richtung Wasserfall«, sagte sie, »da gibt es einige brauchbare Hänge, an denen wir ein bißchen schneller fahren können.«
    »Ach? Voll aufs Gas, oder was?«
    Er wieherte und rutschte wieder hin und her, es war eine kindische Angewohnheit, die ihn unintelligent wirken ließ, primitiv, genau wie in ihrer Erinnerung. Sie kam sich neben ihm alt vor, aber vermutlich war das Unsinn, er konnte höchstens zwei Jahre jünger sein. Sein Bierbauch folgte seinen Bewegungen nicht, er wirkte steinhart. Bei jeder Straßenlaterne wurde sein blasses Gesicht angestrahlt. Ein blasses Gesicht ohne Charakter und fast ganz ohne Mimik.
    »Ich fahre zum Flugplatz, und Sie fahren dann auf dem Rückweg. Das muß doch reichen?«
    »Aber sicher.«
    Er spreizte die Finger der rechten Hand, um Luft zu seiner verschwitzten Handfläche durchzulassen, und er fuhr immer schneller. Seine runde Gestalt in den engen Kleidern erinnerte sie an eine prallgestopfte Bratwurst. Er war sicher viel stärker als sie selber, auf jeden Fall war er stärker gewesen als Maja. Und er hatte auf ihr gesessen. Sie versuchte, sich vorzustellen, was passiert wäre, wenn Maja schneller gewesen wäre und ihn erstochen hätte, dann hätten sie und Eva mit einer Leichedagestanden. Es hätte wirklich so kommen können, es war schon seltsam. Das Leben bestand eben nur aus Zufällen.
    »Das ist die GSI-Ausgabe, falls Sie das noch nicht wußten.«
    »Halten Sie mich für ganz blöd?«
    »Nein, nein, ich wollte es bloß erwähnen«, murmelte er. »Die Karre ist jedenfalls alles andere als lahm, das kann ich Ihnen versprechen. In zehn Sekunden von null auf hundert. Läßt sich auf zweihundert hochdrücken, wenn Sie sich das zutrauen. Aber Frauen haben ja einen seltsamen Fahrstil«, sagte er und wackelte, »die lassen den Wagen bestimmen. Sitzen einfach da und lassen sich fahren.«
    »Für mich ist das schnell genug. Die Sitze sind gut«, sagte Eva.
    »Recarositze.«
    »Läßt sich das Dach auf Knopfdruck öffnen?«
    »Nein, da müssen Sie kurbeln. Aber das ist viel besser so, die elektrischen gehen zu leicht kaputt. Der Kofferraum faßt vierhundertneunzig Liter und hat Licht. Wenn Sie mit Kinderwagen unterwegs sind oder so.«
    »Himmel, was für ein Kompliment. Und verschlingt der Wagen Benzin?«
    »Nein, nein, der hier ist ganz normal. Liegt bei null komma sechs. Ein Liter vielleicht, im Stadtverkehr. Damit müssen Sie rechnen.«
    »Ich habe den Wagen schon öfter gesehen«, rutschte es aus ihr heraus.
    »Ach? Was Sie nicht sagen!«
    Jetzt schien er mißtrauisch geworden zu sein.
    »Ich mußte erst Geld auftreiben.«
    »Fragt sich bloß, ob Sie genug haben.«
    »Habe ich.«
    »Sie haben nicht nach dem Preis gefragt.«
    »Das habe ich auch nicht vor. Ich werde Ihnen ein Angebot machen, und Sie werden zugreifen.«
    »Sie hören sich ja an wie ein Mafiaboß.«
    »Genau.«
    »Eigentlich will ich ja gar nicht verkaufen.«
    »Nein, aber Sie sind genauso geldgeil wie alle anderen, und deshalb werden wir uns schon einigen.«
    Sie bewegte sich ein wenig. Sie spürte das Messer, das gegen ihren Oberschenkel drückte.
    Ich bin verdammt noch mal nicht feige, dachte sie.
    »Und Ihr Angebot«, er räusperte sich, »wie hoch ist das denn?«
    »Das wüßten Sie wohl gern. Ich will erst mal fahren, Apparaturen und Fahrgestell ausprobieren, und ich will das natürlich auch bei Tageslicht tun. Und ich will zum Technischen Prüfdienst.«
    »Wollen Sie nun einen Manta oder wollen Sie keinen?«
    »Haben Sie nicht gesagt, Sie wollten nicht verkaufen?«
    Schweigen senkte sich über das Autoinnere, es war warm und feucht, und die Fenster beschlugen. Er ließ das Gebläse an, um sie sauberzumachen. Ein letztes Mal drehte Eva sich um und blickte zur Stadt zurück. Von der neuen Eisenbahnbrücke her, die gerade gebaut wurde, leuchtete die eine oder andere Schweißflamme. Immer weniger Autos waren

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