Evermore - Das dunkle Feuer - Noël, A: Evermore - Das dunkle Feuer
ich Ihnen sagen soll.« Jude zuckt die Schultern. »Bescheuert ist es ja vielleicht, aber das habe ich mir absolut selbst eingebrockt.«
Mit gefurchten Stirnen betrachten sie ihn, betrachten mich, die Krankenschwester, dann brummeln sie irgendetwas von wegen falls er es sich noch mal überlegen will und stecken ihm eine Karte in die Tasche. Und sobald sie weg sind, stemmt die Schwester die Hände in die schlanken Aerobic-Hüften, schaut mich finster an und sagt: »Ich habe ihm was gegen die Schmerzen gegeben.« Ihr Blick ist schwer mit meinem beschäftigt; sie kauft Jude eindeutig kein Wort von seiner Geschichte ab. Hält mich eindeutig für eine krankhaft eifersüchtige, völlig durchgeknallte Psychofreundin, die ihn in einem Wutanfall aufgeschlitzt hat. »Die Medikamente sollten demnächst wirken, er darf also nicht Auto fahren - nicht dass er das in diesem Zustand kann.« Mit einem Kopfnicken deutet sie auf seine Arme. »Und sorgen Sie dafür, dass er sich die Mittel auf diesem Rezept hier besorgt.« Sie hält einen kleinen Zettel hoch
und will ihn mir gerade reichen, als sie sich eines Besseren besinnt und ihn hastig wieder zurückzieht. »Wir wollen jegliches Infektionsrisiko vermeiden, aber das Beste, was er jetzt tun kann, ist, nachhause zu gehen und sich auszuruhen. Wahrscheinlich schläft er gleich ein, ich möchte also, dass Sie ihn nicht behelligen und ihn schlafen lassen.« Ihr Blick ist wie eine Herausforderung.
»Mach ich«, versichere ich ihr, doch ihr durchdringendes Starren, die Polizei und Judes Worte zu meiner Verteidigung haben mich so durcheinandergebracht, dass die Worte als dürftiges Quieken herauskommen.
Sie verzieht den Mund; es widerstrebt ihr offenkundig, Jude in meine Obhut zu geben oder mir das Rezept auszuhändigen, doch ihr bleibt nicht viel anderes übrig.
Ich folge Jude nach draußen, zu meinem manifestierten Miata, einer exakten Replik des Wagens, den ich normalerweise fahre. Unbeholfen und nervös bin ich kaum in der Lage, ihm in die Augen zu sehen.
»Fahr einfach hier raus und dann rechts«, sagt er. Seine Stimme ist leise und benommen und verrät nicht, was er wirklich denkt oder wie er zu mir steht. Und obwohl seine Aura weicher zu werden scheint, hängt immer noch eine Menge Rot an den Rändern, eine Tatsache, die ziemlich eindeutig für sich selbst spricht. »Du kannst mich am Main Beach absetzen. Von da gehe ich zu Fuß.«
»Ich setze dich nicht am Main Beach ab«, erwidere ich und nutze die Gelegenheit, ihn eingehend zu betrachten, während ich an einer Ampel halte. Und obgleich es draußen dunkel ist, sind die Ringe unter seinen Augen nicht zu übersehen, der Schweiß auf seiner Stirn, zwei unmissverständliche Anzeichen dafür, dass er schlimme Schmerzen hat - meinetwegen. »Im Ernst, das ist doch lächerlich.
« Ich schüttele den Kopf. »Sag mir einfach, wo du wohnst, und ich verspreche dir, ich bringe dich sicher nach Hause.«
»Sicher?« Er lacht, eine Art ironisches Glucksen, das von irgendwo ganz tief unten kommt. Seine beiden lädierten Arme ruhen in seinem Schoß. »Komisch, das Wort hast du in den letzten fünf Minuten zweimal benutzt, und um ehrlich zu sein, ich fühle mich in deiner Gegenwart so ziemlich alles andere als sicher. «
Ich seufze und starre in die sternenlose Nacht hinaus, dann trete ich sanft aufs Gaspedal und verkneife mir meinen üblichen Bleifuß. Ich will ihn nicht noch mehr erschrecken, als ich es schon getan habe. »Hör zu«, sage ich. »Ich … Es tut mir leid. Wirklich und aufrichtig leid. « Dabei sehe ich ihn so lange an, dass er nervös mit dem Kinn in Richtung Straße ruckt.
»Äh, Straßenverkehr?« Er schüttelt den Kopf. »Oder kannst du den auch beherrschen?«
Ich wende den Blick ab und versuche, mir etwas auszudenken, was ich erwidern könnte.
»Hier oben ist es, da links. Das mit der grünen Tür. Fahr einfach in die Einfahrt, dann komme ich schon zurecht.«
Ich tue wie geheißen und halte direkt vor einer Garagentür in exakt demselben Grün wie die Haustür. Dann stelle ich den Motor ab, woraufhin er sagt: »O nein.« Er sieht mich an. »Das ist nicht nötig. Glaub mir, du kommst nicht mit rein.«
Ich zucke die Achseln, greife über ihn hinweg und will die Beifahrertür auf die altmodische Weise öffnen anstatt mit Telekinese. Dabei fällt mir auf, wie er zusammenzuckt, als mein Arm dem seinen zu nahe kommt.
»Hör zu«, sage ich noch einmal und lehne mich wieder
auf meinem Sitz zurück. »Ich weiß, du bist
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