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Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Titel: Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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worden, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Offenbar hatten die Ingenieure, als sie diesen U-Bahntunnel aufgaben, einige alte Waggons stehen gelassen. Diese waren von der Zelle des Schwarzen Kreuzes so weit hergerichtet worden, dass sie als Kabinen zu nutzen waren. Unser Bettzeug lag auf den Gestellen, die früher die Sitze gehalten hatten, und Stahlstangen reichten vom Boden bis zur Decke, als wären wir in einem Ausbildungszentrum für Striptease-Tänzerinnen. Raquel und ich hatten etwa ein Drittel des Waggons für uns, und eine behelfsmäßige Metallwand verschaffte uns auf der einen Seite ein wenig Privatsphäre, auf der andere Seite wurde unser Abschnitt durch das Ende des Waggons begrenzt.
    »Ich vermisse deine Collagen an den Wänden«, sagte ich. Die Fenster auf den Seiten des Zugteils waren weiß übertüncht worden und sahen kahl und kalt aus. »Und mein Teleskop fehlt mir auch. Und unsere Bücher und Kleidung …«
    »Das ist doch nur Krempel.« Raquel stützte sich auf einen Ellbogen. Ihr dunkles, kurzes Haar stand in alle Richtungen ab, und wenn ich mich etwas weniger verloren gefühlt hätte, hätte ich sie damit aufgezogen. »Was fehlt, ist, dass wir endlich etwas wirklich Wichtiges machen. Vampire haben uns beiden das Leben zur Hölle gemacht, von den Geistern mal ganz zu schweigen. Jetzt können wir zurückschlagen. Das ist jedes Opfer wert.«
    Ich wusste, dass ich es nicht wagen würde, Raquel die Wahrheit anzuvertrauen, aber ich wollte, dass sie wenigstens ein bisschen verstand, was ich wirklich empfand. Mit leiser Stimme sagte ich: »Meine Eltern haben gut für mich gesorgt.«
    Raquel antwortete nicht. Ich hatte sie kalt erwischt, und ich merkte, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte.
    »Und Balthazar – war immer so lieb zu mir. Zu uns beiden. « Ich dachte, das würde vielleicht helfen, sie zu überzeugen.
    Stattdessen richtete sie sich kerzengerade auf, angestachelt von einem plötzlichen Zorn, der mich entsetzte. »Hör zu, Bianca. Ich will nicht so tun, als würde ich verstehen, was du durchgemacht hast. Ich dachte immer, ich hätte es schwer gehabt, aber herauszufinden, dass die Leute, die du für deine Eltern gehalten hast, in Wirklichkeit Vampire sind… Schlimmer geht es wohl nicht.«
    Ich musste sie in ihrem Glauben lassen, also erwiderte ich nichts.
    Sie fuhr fort: »Sie haben dich einer Art Gehirnwäsche unterzogen, verstehst du? Du wirst noch eine ganze Weile lang Entschuldigungen für sie finden. Aber Tatsache ist, dass sie dir falsche Gedanken eingepflanzt haben. Und Balthazar hat ihr Spiel ebenso mitgespielt wie all die anderen. Also wach auf. Du musst wieder klar denken. Wir sind keine Kinder mehr. Wir haben herausgefunden, dass der Krieg begonnen hat, und unser Platz ist hier bei den Soldaten.«
    Raquel war so kompromisslos, so sicher. Ich konnte nur schweigend nicken.
    »Okay«, sagte sie. Als sie sich unter ihrer Decke vergrub, wurde mir klar, dass unsere Unterhaltung für diese Nacht beendet war. Es war ja nicht so, als hätte es noch etwas gegeben, das ich mit ihr hätte besprechen können. Plötzlich jedoch fügte sie sehr leise hinzu: »Ich werde uns bald eine Collage machen.«
    Ich lächelte und umschlang mein Kopfkissen mit den Armen. »Mach irgendetwas Schönes. Dieser Ort hier könnte was Schönes vertragen.«
    »Ich dachte eher an etwas Beängstigendes und Bösartiges«, sagte sie. »Aber wir werden sehen.«
     
    Während der nächsten paar Wochen schien jeder Tag dem vorherigen und dem darauf folgenden zu gleichen.
    Morgens gingen die Lichter zu absurd früher Stunde an. Ich wusste nie, wie spät es genau war, denn wir hatten weder Uhren noch unsere Handys. Aber die Art und Weise, wie mein Körper gegen das Aufstehen protestierte, verriet mir, dass es viel zu früh für mich war.
    Alle anderen waren blitzschnell fertig. Im Grunde hatte ich kaum Zeit, mehr zu tun, als rasch unter eine der Duschen zu springen. Und das waren dann auch noch Gemeinschaftsduschen – wie in meinen schlimmsten Albträumen vom Sportunterricht in der Schule –, aber da alle anderen vom Schwarzen Kreuz so emsig waren und es eilig hatten, blieb mir keine Gelegenheit, unsicher zu werden. Wir zogen unsere Trainingssachen an und eilten in den ausgewiesenen Übungsbereich.
    Und blieben dort.
    Stundenlang.
    Natürlich saßen nicht alle dort fest. Die New Yorker Leute vom Schwarzen Kreuz, deren Namen nur an mir vorbeigerauscht waren ( ZackElenaReneeHawkinsAnjuliNathan ), trainierten

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