Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte
seinen Hals hinabgeströmt und sammelte sich kurz unter seinem Kehlkopf. Das erinnerte mich daran, wie er ausgesehen hatte, als ich ihn zum ersten Mal gebissen hatte.
Vampirblut , dachte ich. Während des Rituals hatte es mich mit großer Macht angezogen. So mächtig, als wäre das Blut das Leben selbst.
Dann sah ich alles plötzlich ganz klar: Ich erkannte, wie das Trinken von Lucas’ Blut Teil dessen gewesen war, was für mein Leben als Vampirin von grundlegender Bedeutung gewesen war, und wie ich mich in diesen Augenblicken
lebendiger als jemals sonst gefühlt hatte.
Wie sich die Geister mit den Vampiren zusammengetan hatten, um Vampirkinder wie mich hervorzubringen, weil Geister und Vampire die zwei Hälften des Lebens ausmachten und zusammen in der Lage waren, eine Flamme zu entzünden.
Wie Mrs. Bethanys Ritual vorgesehen hatte, mich zu vernichten und mich in den Körper eines Vampirs zu zwingen, um uns zu vereinen.
Wie das Geisterblut giftig für Vampire war, aber ihr Blut im Gegenzug für uns das Leben bedeutete.
Wie Lucas und ich jeweils Teil des anderen geworden waren von dem Zeitpunkt an, als ich zum allerersten Mal meinem Verlangen nachgegeben und ihm in die Kehle gebissen hatte. Ich war Lucas, und er war ich.
Und da wusste ich, was ich tun musste.
»Tretet zurück«, sagte ich. Alle starrten mich an, taten aber, wozu ich sie aufgefordert hatte, und rückten weg von Lucas reglosem Körper. Dana legte seinen Kopf sanft auf den Boden, ehe sie aufstand. Raquel stellte sich hinter sie und umschlang sie fest mit ihren Armen. Ranulf hatte den Kopf gesenkt, und Vic, der Hand in Hand mit Maxie dastand, schniefte, als wäre er kurz davor, in Tränen auszubrechen. Meine Eltern standen etwas vom Rest entfernt, aber ich konnte sehen, dass ihre Sorge um Lucas echt war. Es hatten sich noch einige andere zu uns gesellt, nur eine Handvoll von menschlichen und vampirhaften Schülern, die sich nicht sicher waren, was sie von der Sache halten sollten. Skye stolperte auf uns zu, benommen und schwach nach all dem, was sie durchgemacht hatte, aber zutiefst entschlossen, Lucas nicht alleinzulassen, wenn er in Schwierigkeiten steckte. Sie schwankte, und Balthazar erhob sich rasch und trat neben sie, damit sie sich gegen seine Schulter lehnen und das Gleichgewicht wiederfinden konnte.
Der Schnee rings um Lucas herum war tiefrot gefärbt von seinem Blut. Neue Schneeflocken rieselten vom Himmel. Ein scharfer, beißender Wind kam auf und blies Lucas’ Haare durcheinander. Ich streckte Maxie meine Hand entgegen, und nach kurzer Verwirrung verstand sie, was ich wollte, und reichte mir meine Jetsteinbrosche, sodass ich noch einmal einen festen Körper annehmen konnte. Das brauchte ich jetzt. Die scharfen Kanten der Blütenblätter schnitten mir in die Handfläche.
Ich spürte, wie sehr ich Lucas liebte und wie sehr ich mir wünschte, dass er ein Teil von mir wäre. Ich erinnerte mich an die Süße seines Blutes und wie lebendig ich mich davon gefühlt hatte. Ich dachte daran, wie es gewesen war, eine Vampirin zu sein, und ich merkte, wie noch einmal meine Reißzähne wuchsen und sich über meine Lippen und an meiner Zunge vorbeischoben. Meine Vampirseite war noch immer ein Teil von mir, auch nach meinem Tod.
Dann beugte ich mich vor und biss Lucas in die Kehle.
Blut. Kalt, aber trotzdem sein Blut, trotzdem er . Das Blut eines Vampirs barg Wissen, und so spürte ich alles, was er gespürt hatte, und wusste alles, was er je gewusst hatte. Ich fühlte seine Liebe für mich und seine Angst, als er in dem Turm gestanden und versucht hatte, mich zu retten. Ich sah den Kampf durch seine Augen, einen Wirbel von Klingen, Hieben und überall Schnee. Nun nahm ich tiefere Schlucke und trank so viel Blut wie möglich, mehr, als ich das je als Vampirin getan hatte. Um mich herum konnte ich vage hören, wie die anderen protestierten, aber sie waren zu weit weg, um einzuschreiten. Und dann erkannte ich Lucas, seinen Geist und seine Seele, hier, im Zentrum seines Seins.
Bianca. Wo sind wir?
Wir sind beisammen.
Was geschieht?
Ich trinke dein Blut. Mache es zu meinem eigenen. Lucas – trink auch du von mir!
Ich drückte ihm meine Hand gegen den Mund, bis das weiche Fleisch zwischen Daumen und Zeigefinger an seine Lippen geschmiegt war.
Vertrau mir. Trink.
Er war so vollkommen paralysiert, dass er nicht mehr zubeißen konnte, und so drückte ich mein weiches Fleisch gegen seine scharfen Zähne, bis diese die Haut durchdrangen. Ich
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