Evernight Bd.1 Evernight
als Erstes suchen würden .
Mir war klar, dass ich einen Vorteil gegenüber Mrs. Bethany und meinen Eltern hatte, etwas, das selbst ihre jahrhundertelange Erfahrung und ihre übernatürlichen Sinne nicht wettmachen konnten: Ich kannte Lucas, und das bedeutete, ich wusste, was er tun würde.
Auch sie würden vermutlich davon ausgehen, dass sich Lucas nicht in der Öffentlichkeit verstecken konnte. Sie dürften auch den nächsten Schluss ziehen, dass Lucas sich so nahe wie möglich an der Bushaltestelle verbergen würde, sodass er nicht lange in der Stadt herumlaufen müsste, bis er in den Bus springen und sich vom Acker machen konnte. Die Haltestelle befand sich jedoch mitten im Zentrum. Sie war von einem Dutzend Geschäften umgeben, und soweit sie wussten, konnte Lucas in jedem einzelnen davon stecken.
Lucas hatte sich mit mir einen alten Film angesehen und mir die Brosche in einem Second-Hand-Laden gekauft. Und er hatte gesagt, dass er mich liebt.
Was bedeutete, dass er vielleicht, nur vielleicht, den gleichen Ort ausgewählt hatte, um sich zu verstecken, für den ich mich entschieden hätte.
Ich lief auf das Antikgeschäft an der südöstlichen Ecke des Marktplatzes zu und sprang auf dem Weg über die Pfützen. Jeder Zweifel, der mir an meiner Vermutung gekommen war, verschwand, als ich die Hintertür des Ladens erreicht hatte und sah, dass sie ein Stückchen offen stand.
Langsam schob ich sie weiter auf. Die Angeln quietschten nicht, und ich schlich vorsichtig über die hölzernen Bodendielen. Nun, da die Lichter aus waren, war die Dunkelheit im Innern beinahe undurchdringlich. Ich konnte kaum die Umrisse der seltsamen Dinge ausmachen, die mich umgaben. Zuerst traute ich meinen Augen nicht: eine Rüstung, ein ausgestopfter Fuchs, ein Kricketschläger. Mir dämmerte, dass dieses Durcheinander nicht zufällig war, sondern dies war das Lager des Geschäfts. Hier befanden sich die Dinge, die nur wenige Leute würden kaufen wollen. Es kam mir alles völlig unwirklich vor, als ob ich in einen schlechten Traum versunken wäre, obwohl ich hellwach war.
Zuerst versuchte ich, leise zu sein, aber als ich weiter in den Laden vordrang, schwante mir, dass das gefährlich werden könnte. Vielleicht würde Lucas jeden verletzen, der ihm nachgekommen war, aber ich glaubte noch immer daran, dass er mir nichts tun wollte.
»Lucas?«
Keine Antwort.
»Lucas, ich weiß, dass du da bist.« Noch immer keine Antwort, aber ich merkte, dass ich beobachtet wurde. »Ich bin allein. Doch sie sind nicht weit hinter mir. Wenn du mir irgendwas zu sagen hast, dann solltest du das besser jetzt tun.«
»Bianca.«
Lucas sprach meinen Namen wie ein Seufzen aus, als wäre er zu müde, es zurückzuhalten. Ich starrte in die Dunkelheit, aber ich konnte ihn nicht sehen. Ich wusste nur, dass die Stimme von irgendwo vor mir kam.
»Stimmt das? Was sie über dich gesagt haben?«
»Hängt davon ab, was sie gesagt haben.« Jetzt hörte ich Schritte, die langsam auf mich zukamen.
Ich legte eine zitternde Hand auf das nächstbeste Möbelstück, das mir Halt geben konnte: einen Sessel, der mit abgewetztem Samt bezogen war.
»Sie behaupten, dass du ein Mitglied einer Gruppe bist, die sich Schwarzes Kreuz nennt. Dass du ein Vampirjäger bist. Dass du m… uns alle angelogen hast.«
»Stimmt alles.« Lucas klang müder, als ich ihn je gehört hatte. »Hast du denn die Wahrheit gesagt, dass du ganz allein gekommen bist? Ich würde es dir nicht verübeln, wenn es anders wäre.«
»Ich habe dich nur ein einziges Mal angelogen. Das werde ich jetzt nicht wiederholen.«
»Ein einziges Mal? Ich kann mich an viele Male erinnern, an denen du vergessen hast zu erwähnen, dass du eine Vampirin bist.«
»So wie du mir nicht gesagt hast, dass du ein Vampirjäger bist!« Ich hätte ihn ohrfeigen können.
Mein Zorn schien ihn völlig ungerührt zu lassen. »Vermutlich. Ich schätze, am Ende kommt es auf das Gleiche raus.«
»Ich habe dir in dieser E-Mail die Wahrheit gesagt! Ich habe nichts mehr verheimlicht!«
»Weil du erwischt worden bist. Das zählt nicht, und das weißt du auch.«
Warum tat er noch immer so, als ob wir uns gleich wären? »Ich habe mir nicht ausgesucht, was ich bin. Aber du - deine Leute haben sich verschworen, um meine Familie und meine Freunde auszurotten…«
»Ich habe mir das auch nicht ausgesucht, Bianca.« Seine Stimme war rau, als ob er würgen müsste, und mein Zorn wich einem anderen Gefühl, das ich nicht benen nen konnte.
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