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Evernight Bd.1 Evernight

Evernight Bd.1 Evernight

Titel: Evernight Bd.1 Evernight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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ihr Vampirsein für mich ebenso gewöhnlich wie die Tatsache, dass Mums Haar die Farbe von Karamell hatte oder Dad gerne zu Jazz aus den 1950ern mit den Fingern schnippte. Am Abendbrottisch tranken sie Blut, anstatt feste Nahrung zu sich zu nehmen, und sie schwelgten gerne in Erinnerungen an Segelschiffe und Spinnräder, oder dachten - in Dads Fall - an die Zeit, als er William Shakespeare in seinen eigenen Stücken hatte auftreten sehen. Aber das waren Kleinigkeiten, die eher lustig und liebenswert waren als beängstigend. Ich hatte sie nie als unnatürlich empfunden.
    Doch als wir die Verfolgung aufnahmen, dämmerte mir, wie wenig ich wirklich von ihnen wusste.
    Sie bewegten sich schneller, als ich es konnte, schneller, als es den meisten Menschen möglich war. Lucas und ich hatten gedacht, wir würden an unsere Grenzen stoßen, als wir vor einigen Wochen über das Gelände gelaufen waren, aber das war nichts im Vergleich zu dem hier. Mum, Dad, Balthazar, jeder Einzelne von ihnen rannte - obwohl der Boden morastig war - mit sicherem Schritt, denn sie konnten im Dunkeln sehen. Ich musste mich auf die gelegentlichen Blitze verlassen und auf die Stimmen, die mir den Weg wiesen.
    »Hier!« Professor Iwerebons nigerianischer Akzent war ausgeprägter, wenn er aufgeregt war. »Der Junge hat diesen Weg genommen.«
    Wie konnte er das wissen? Ich bemerkte, dass Iwerebons Hand auf den Zweigen eines Busches ruhte. Als ich sie ebenfalls berührte, konnte ich die zarten, weichen Knospen von neuen Blättern auf meinen eisigen Handflächen spüren. Einer der Zweige war gebrochen. Lucas hatte ihn umgeknickt, als er vorbeigerannt war.
    Er läuft um sein Leben. Er muss völlig verängstigt sein.
    Er hat gesagt, er liebt mich.
    Wieder machte ein Blitz den Himmel sekundenlang taghell. Ich konnte Mrs. Bethanys Profil vor dem dunklen Wald ausmachen, und erkannte genug von der Landschaft, um zu wissen, dass wir ganz nahe an einem Fluss waren. Zum ersten Mal seit einer ganzen Weile hatte ich wieder eine Ahnung, wo wir uns befanden, denn die Regenwolken verhinderten einen Blick auf die Sterne. »Das ist keiner der üblichen Wege, den die Schüler nehmen«, sagte Mrs. Bethany. »Das Schwarze Kreuz hat ihn gut genug ausgebildet, dass er einen Fluchtplan hatte. Was bedeutet, dass er diese Route im Vorfeld ausgewählt hat.«
    Donner rollte über uns hinweg und übertönte, was immer Professor Iwerebon antwortete. Mühsam zog ich meine Füße aus dem Schlamm, in dem sie immer wieder versanken. Balthazar nahm meinen Ellbogen und gab mir Halt, bis wir wieder festeren Boden erreicht hatten.
    Die ganze Zeit über hatte ich geglaubt, dass Lucas mich beschützte, aber stattdessen hat er mich in Gefahr gebracht. Wie konnte das wahr sein?
    Balthazars Finger gruben sich in meinen Arm. »Da lang. Dort drüben.«
    Als wieder ein Blitz den Himmel zerteilte, sah ich, was Balthazar entdeckt hatte: vollgelaufene, fußgroße Löcher im Matsch, die zum Fluss führten. Lucas war ebenso wie ich gezwungen gewesen, seine Füße aus dem Boden zu ziehen. Trotz der neuen Kräfte, die wir teilten, war er nicht so schnell oder so übermenschlich geschickt wie die alten Vampire rings um mich herum. Lucas war nur ein Junge, der so schnell er konnte durch einen entsetzlichen Sturm rannte und wusste, dass man ihn töten würde, wenn man ihn in die Fänge bekam.
    Es regnete zu stark, als dass solche Fußspuren lange überdauern würden, ohne weggewaschen zu werden. Wir hatten ihn also beinahe eingeholt.
    Er hat mich von Anfang an angelogen. Vom allerersten Tag an. Wie viel Ängste hatte ich ausgestanden, während ich versuchte, Geheimnisse vor ihm zu bewahren! Und die ganze Zeit über hatte er mich zur Närrin gemacht, wann immer wir uns küssten.
    »Schnell!« Mrs. Bethany drängte uns vorwärts. Trotz ihres langen Rocks bewegte sie sich müheloser als alle anderen. Ich strauchelte hinter ihr, atmete schwer und war bis auf die Knochen durchgefroren. Aber ich schaffte es, nahe genug bei den anderen zu bleiben, um zu hören, wie der Regen auf ihre Mäntel trommelte. »Wahrscheinlich hat er den Fluss überquert. Da werden wir Zeit verlieren.«
    Der Fluss.
    Mein ganzes Leben lang hatten meine Eltern Witze darüber gemacht, wie schrecklich fließendes Wasser doch sei. Wenn wir auf Straßen unterwegs waren, versuchten sie es immer so einzurichten, dass wir dabei nie einen Fluss zu überqueren hatten. Wenn es sich nicht vermeiden ließ, dann schafften sie es, aber es dauerte

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