Evernight Bd.1 Evernight
»Sie lassen dich Chucks tragen, aber ich glaube, mit dem Helm treibst du es dann doch ein bisschen zu weit.«
»Ich habe vor, ihn in der Casa del Lucas y Victor aufzusetzen.« Vic platzierte den Helm auf seinem Kopf, um ihn vorzuführen. »Ich trage ihn, wann immer ich mal entspannen will, oder beim Lernen. Was meinst’n du, Lucas?«
Niemand antwortete. Lucas war schon wieder im Gedränge untergetaucht.
Vic drehte sich zu mir um und war offenkundig verwirrt über das Verschwinden seines Zimmergenossen. Ich war ebenfalls durcheinander, aber aus anderen Gründen: Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, warum Lucas überhaupt zurückgekommen war. Es hatte den Anschein, als wenn es noch eine Weile dauern würde, ehe Lucas wieder mit mir sprechen könnte. In Anbetracht dessen, was er über mich, Evernight und Vampire herausgefunden hatte, verdiente er vermutlich alle Zeit, die er brauchte. Bis dahin konnte ich nichts tun als abwarten.
Einige Tage später machte ich mich für den Unterricht fertig und tat so, als sei ich wirklich fasziniert von Patrice’ Geschichten über ihren Schweiz-Urlaub.
»Ich bin immer entsetzt, dass es Leute gibt, die behaupten, sie würden lieber in Colorado Ski fahren.« Patrice rümpfte die Nase. Hielt sie wirklich jeden Ort in Amerika für langweilig? Oder musste sie irgendetwas überspielen und so tun, als sei sie weltgewandter, als sie es in Wirklichkeit war? Nun, da ich selbst so viele Geheimnisse für mich behielt, hatte ich angefangen, nicht alles für bare Münze zu nehmen, was die Leute so erzählten.
»Die Schweiz ist so viel kultivierter, finde ich. Und man trifft so viele unterschiedliche, interessante Leute.«
»Ich mag Skilauf nicht«, sagte ich unbekümmert, während ich mir die Wimpern tuschte. »Snowboarding ist viel aufregender.«
»Wie bitte?« Patrice starrte mich an. Ich hatte es noch nie zuvor gewagt, nicht mit ihr einer Meinung zu sein. Selbst bei einem so unwichtigen Thema wie Skilaufen im Vergleich zu Snowboarding schätzte sie es anscheinend gar nicht, wenn man ihr widersprach.
Bevor ich weitere Erklärungen abgeben konnte, wurde die Tür aufgestoßen. Es war Courtney, die reichlich mitgenommen aussah - Courtney, die immer makellos glänzendes Haar hatte und Make-up trug, selbst wenn man ihr nachts um zwei im Bad über den Weg lief. »Habt ihr Erich gesehen?«
»Erich?« Patrice hob eine Augenbraue. »Ich erinnere mich nicht daran, dass ich ihn in mein Schlafzimmer eingeladen hätte. Du etwa, Bianca?«
»Letzte Nacht auf jeden Fall nicht.«
»Spart euch den Sarkasmus, ja?«, fauchte Courtney. »Man sollte meinen, dass es euch interessiert, wenn einer eurer Klassenkameraden vermisst wird. Jemand ist weggerannt, und ihr tut so, als wenn das ein großer Witz wäre. Genevieve heult sich die Augen aus dem Kopf.«
»Warte mal! Erich wird vermisst?« Raquel erschien in der Tür, zusammen mit einigen anderen Schülerinnen, alle in verschiedenen Stadien des Zurechtmachens für den Unterricht. Die Neuigkeit verbreitete sich schnell.
»Ihr kennt doch seinen Zimmergenossen, David? Er ist erst heute zurückgekommen.« Mir fiel auf, dass Courtneys Sorge nicht so weit ging, es nicht toll zu finden, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Genüsslich fuhr sie fort: »David sagt, dass Erichs Zimmer aussah, als ob jemand darin gewütet hätte. Alles ist völlig auf den Kopf gestellt worden. Er und Genevieve wollten dieses Wochenende zusammen verbringen, und jetzt ist sie am Boden zerstört.«
»Wir werden von jetzt an nur noch leise lachen«, versprach Raquel, die sich offenbar nicht so furchtbar um Erich sorgte. Wer konnte es ihr schon verübeln? Courtney warf uns finstere Blicke zu, dann stürmte sie wieder aus dem Zimmer.
Später am Morgen, auf dem Weg zu unserem ersten Kurs, murmelte Raquel: »Ich wette, Genevieve ist sauer, dass sie diese tolle Möglichkeit verpasst hat, sich bei einer Verabredung vergewaltigen zu lassen.«
»Ich schätze, Erich hatte einfach die Nase voll von der Schule«, sagte ich. »Angeblich verlassen jedes Jahr etliche Schüler die Akademie, noch ehe das Schuljahr um ist.« Natürlich wusste ich, dass Erich nur einer von Dutzenden von Vampiren war, die nach Evernight gekommen waren, um alles über die Fallstricke der modernen Zeit zu lernen, und ich vermutete, dass es ihm langweilig geworden war, sich wie ein Schüler behandeln zu lassen, sodass er verschwunden war, um sich woanders zu amüsieren. Oder vielleicht hatte Mrs.
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