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Evernight Bd.1 Evernight

Evernight Bd.1 Evernight

Titel: Evernight Bd.1 Evernight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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ich.« Meine Worte klangen so hohl. Wie musste es für Balthazar sein, seine Eltern und seine Schwester seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen zu haben? Ich konnte mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie schlimm das wehtun musste.
    Wie wird das sein, wenn du Lucas zweihundert Jahre lang nicht gesehen hast?
    Ich konnte es nicht ertragen, weiter über diese Frage nachzudenken. Stattdessen konzentrierte ich mich wieder auf Balthazar.
    »Manchmal denke ich, ich habe mich so verändert, dass mich meine Eltern kaum wiedererkennen würden. Und meine Schwester…« Balthazar machte eine Pause, dann schüttelte er den Kopf. »Ich schätze, du wolltest wissen, wie anders die Dinge damals waren. Wie sehr sich alles verändert hat. Aber wir verändern uns nicht, Bianca. Das ist das Unheimlichste daran. Und es ist ein Grund dafür, warum sich manche Leute hier wie Teenager aufführen, auch wenn sie schon Jahrhunderte alt sind. Sie begreifen sich selbst nicht, und auch nicht die Welt, in der sie leben müssen. Das ist eine Art von immerwährender Pubertät. Nicht sehr lustig.«
    Ich schlang die Arme um meinen Körper, denn ich zitterte vor Kälte und bei dem Gedanken an all diese Jahre und Jahrzehnte und Jahrhunderte, die sich vor mir erstreckten, sich immer wieder verändern würden und so ungewiss waren.
    Danach gingen wir eine Weile schweigend weiter; Balthazar war tief in Gedanken versunken, und auch ich hing den meinen nach. Unsere Füße wirbelten kleine Schneewolken auf, während wir die einzigen Spuren im unbewegten, weißen Meer hinterließen. Endlich nahm ich allen Mut zusammen, um Balthazar zu dem zu befragen, was mich wirklich beschäftigte. »Wenn du zurückkönntest, würdest du sie mitnehmen? Deine Familie, meine ich?« Ich dachte, er würde Nein sagen und dass er es nicht über sich gebracht hätte, sie zu töten, egal aus welchem Grund. Welche Antwort auch immer er mir geben würde - sie würde mir auf jeden Fall eine Menge darüber verraten, wie lange Trauer anhielt und wie lange ich das Elend, Lucas verloren zu haben, würde ertragen müssen. Ich hatte nicht erwartet, dass Balthazar unvermittelt stehen bleiben und mich anstarren würde.
    »Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte«, sagte er, »dann würde ich mit meinen Eltern sterben.«
    »Wie bitte?« Ich war zu überrascht, als dass mir irgendeine andere Antwort eingefallen wäre.
    Balthazar trat näher und legte mir seine Hand, die in ledernen Handschuhen steckte, auf die Wange. Seine Berührung war nicht voller Liebe wie die von Lucas. Er versuchte vielmehr, mich aufzuwecken, mir die Augen zu öffnen. »Du lebst, Bianca. Du weißt es noch gar nicht zu schätzen, was es bedeutet, am Leben zu sein. Es ist besser als ein Vampirdasein… besser als alles andere in der Welt. Ich erinnere mich noch ein bisschen daran, wie es war, lebendig zu sein, und wenn ich das noch einmal haben könnte, und sei es auch nur für einen einzigen Tag, würde ich alles in der Welt dafür geben. Selbst unwiderruflich dafür sterben. All die Jahrhunderte, die ich habe kommen und gehen sehen, und all die Wunder, die sich vor meinen Augen abgespielt haben, können es nicht aufwiegen, lebendig zu sein. Was glaubst du denn, warum die Vampire hier den Menschen gegenüber so missgünstig sind?«
    »Weil… na ja, weil sie Snobs sind, nehme ich an…«
    »Das ist nicht der Punkt. Sie sind neidisch.« Schweigend blickten wir uns einen langen Augenblick an, ehe er hinzufügte: »Genieß das Leben, solange du es noch hast. Denn es bleibt einem nicht - nicht den Vampiren und auch sonst niemandem.«
    So etwas hatte noch nie jemand zu mir gesagt. Meine Eltern sehnten sich nicht danach, lebendig zu sein - oder doch? Sie hatten nie ein Wort darüber verloren. Und Courtney, Erich, Patrice, Ranulf: Wünschten sie sich am Ende auch, menschlich zu sein?
    Vielleicht hatte Balthazar meine Zweifel gespürt, denn er fragte: »Du glaubst mir nicht?«
    »Das ist es nicht. Ich weiß, dass du die Wahrheit sagst. Bei so etwas Wichtigem würdest du mich nicht anlügen. So einer bist du nicht.«
    Balthazar nickte, und langsam breitete sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen aus, und ich hatte das Gefühl, mehr gesagt zu haben, als mir lieb war. Das hoffnungsvolle Leuchten in seinen Augen hatte ich seit dem Herbstball, bevor ich ihn hatte fallen lassen, nicht mehr gesehen.
    Was mir jedoch am meisten zu schaffen machte, war die Tatsache, dass ich die Wahrheit gesagt hatte. Balthazar würde mich tatsächlich

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