Evernight Bd.1 Evernight
durchgedreht war.
»Hast du deiner Mutter davon erzählt? Hast du es überhaupt irgendjemandem gegenüber erwähnt?«
Lucas lachte wieder. »Wohl kaum.« Als ich ihn befremdet ansah, erklärte er: »Kannst du dir einen leichteren Weg vorstellen, in der Jugendpsychiatrie zu landen?«
»Nein«, gab ich zu. »Wahrscheinlich wäre das die einfachste Fahrkarte in die Klapsmühle.«
Mit rauer Stimme fügte er hinzu: »Und außerdem hast du mich doch gebeten, das nicht zu tun.«
Er hatte diesen langen Brief voller Enthüllungen gelesen, hatte erfahren, dass ich ihn angelogen hatte, dass ich etwas war, das er für ein Monster halten dürfte, und doch war er fähig gewesen, mein Flehen um Geheimhaltung nicht zu übergehen, sondern zu tun, worum ich ihn gebeten hatte.
»Danke.«
»Ich wollte nicht mehr zurückkommen. Ich wollte dich nie wiedersehen. Es hat so wehgetan, und ich dachte, der einzige Weg, diesen Schmerz zu beenden, wäre, mich zu zwingen, dich zu vergessen.« Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, als ob es ihn ermüde, sich auch nur an diesen inneren Kampf zu erinnern. »Ich habe mit aller Macht versucht, dich zu vergessen, Bianca. Ich konnte es nicht. Dann kam ich zu der Überzeugung, dass es meine Pflicht wäre, nach Evernight zurückzukehren.«
»Pflicht?« Ich war verwirrt.
Lucas wusste offensichtlich nicht weiter und zuckte mit den Schultern. »Um die Wahrheit zu erfahren? Um Dinge zu durchschauen? Ich weiß es auch nicht.« Sein Gesichtsausdruck änderte sich, als er zu mir aufsah - und es war endlich wieder der gleiche, mit dem er mich früher bedacht hatte: ein Ausdruck, bei dem mir die Knie schwach wurden. Der Ausdruck, den er gehabt hatte, als er sagte, dass es für den Mann auf dem Klimt-Gemälde nur eines auf der Welt gab, das wertvoll war.
»Aber kaum sah ich dich wieder, wusste ich, dass ich dich noch immer brauche. Dass ich dir noch immer vertraue. Obwohl du eine Vampirin bist oder doch zumindest fast eine Vampirin - oder was auch immer du bist, schöne Bianca. ›Schöne Isabel‹ würde auch gut zu dir passen. Vampirin Isabel…« Lucas sprach das Wort Vampirin aus, als könne er es nicht glauben. »Für mich spielt das letztlich keine Rolle. Das sollte es zwar, denke ich, tut es aber nicht. Ich kann nicht ändern, was ich für dich empfinde, Bianca .«
Bianca konnte sich nicht mehr länger zurückhalten. Ich ging zu Lucas und ließ mich auf den Boden sinken. Er nahm mein Gesicht in seine Hände, und sein ganzer Körper bebte.
»Du willst immer noch mit mir zusammen sein? Auch wenn ich dich angelogen habe?«
Lucas schloss fest die Augen. »Ich werde dir das nie vorwerfen.«
»Dann verstehst du also, warum ich es geheim gehalten habe.«
All die Angst und Sorge, die mich belastet hatten, fielen mit einem Schlag von mir ab, und ich wollte meine Arme um Lucas schlingen und mit ihm verschmelzen. »Du verstehst es wirklich. Ich hätte nie geglaubt, dass das passieren könnte.«
»Ich kann nicht glauben, dass ich das will«, flüsterte er. »Ich kann nicht glauben, wie sehr ich dich will.«
Lucas streifte meine Lippen mit seinem Mund, nur ganz flüchtig. Vielleicht wollte er es hierbei belassen, aber das tat er nicht. Ich legte meine Arme um seine Schultern und küsste ihn noch einmal. Ich hörte auf, über irgendetwas sonst zu grübeln, und dachte nur noch an Lucas, daran, wie nah er war, an den Waldgeruch seiner Haut und die Art, wie wir im Gleichklang atmeten, wenn wir uns küssten, als wären wir zwei Teile einer einzigen Person. Kleine Schauer der Erregung kribbelten in meinen Fingerspitzen, in meinem Bauch und auch sonst überall.
»Ich sollte wie der Teufel wegrennen.« Sein Atem war heiß an meinem Ohr. Seine Finger glitten unter den Bund meines Rockes, und er zog mich näher. »Was hast du mit mir gemacht?«
Als er mich an seine Brust drückte, wollte ich mich zurückziehen. Ich war daran gewöhnt, an diesem Punkt abzubrechen, denn ich fürchtete mich vor dem, was meine Sehnsucht nach Lucas anrichten konnte. Nun erwartete ich, dass Lucas derjenige sein würde, der Angst hatte, aber so war es nicht. Er vertraute mir genug, um mich zu küssen und auf den Boden zu sinken, sodass wir einander gegenüber knieten, und seine Augen zu schließen, als ich mit den Fingern durch sein Haar fuhr.
»Das ist der Moment, ab dem es mir schwerfällt, mich unter Kontrolle zu halten«, warnte ich ihn flüsternd.
»Lass uns herausfinden, wie viel Kontrolle wir brauchen.«
Er riss am
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