Evernight Bd.1 Evernight
Bethany die Gefahr erkannt, die von ihm ausging, und sie hatte ihn angewiesen, die Akademie sofort zu verlassen.
»Es sind die schlauen Schüler, die fliehen. Deshalb bin ich so überrascht, dass Erich als Erster abhaut.« Raquel machte eine Pause. »Dafür, dass er anscheinend mit niemandem darüber geredet hat, scheinen sie ja ganz schön sicher, dass er getürmt ist. Und man sollte doch denken, dass er die Weihnachtsferien dafür genutzt hätte, wenn er es denn vorgehabt hätte. Glaubst du, sie schalten die Polizei ein? Eigentlich sollte man uns doch wenigstens befragen.«
»Wahrscheinlich hat er einfach seine Eltern angerufen, damit sie ihn abholen und in irgendein anderes schickes Internat verfrachten. Mrs. Bethany weiß über alles Bescheid, da bin ich mir ganz sicher. Courtney liebt nur einfach dramatische Auftritte.«
»Ja, das wäre keine Überraschung. Und er ist genau der Typ dafür, sein Zimmer zu verwüsten, bevor er abreist, damit jemand anders hinter ihm herräumen muss.« Aber Raquel schien nicht richtig überzeugt. »Sie sollten trotzdem Fragen stellen. Die Lehrer, und vielleicht sogar die Polizei.«
»Es haben doch alle gerade erst davon erfahren.« Die ganze Sache beunruhigte mich. »Lass ihnen ein bisschen Zeit.«
»Die Leute an dieser Schule tun so, als wäre es keine große Sache, wenn ein Schüler verschwindet.« Raquel schüttelte den Kopf und ergänzte: »Was ich im letzten Semester gesagt habe, gilt jetzt doppelt. Ich werde nächstes Jahr auf keinen Fall wiederkommen.«
Ich fragte mich, ob Erich das Gleiche gesagt hatte.
Den Rest des Tages über benahmen sich alle komisch. Im Unterricht waren die Schüler abgelenkt und schlossen Wetten ab, wohin Erich sich abgesetzt hatte. David wies darauf hin, dass Erich all seine Bücher und Aufzeichnungen mitgenommen, aber seine Klamotten zurückgelassen habe, was so ziemlich das Gegenteil seiner üblichen Prioritäten war. Ich wartete darauf, dass Mrs. Bethany eine Versammlung einberufen würde, um uns eine Erklärung vorzusetzen, aber nichts geschah.
In dieser Nacht trödelte ich im Treppenhaus des Turmes herum, in dem es schmale Fenster von der Breite eines einzigen Ziegelsteines gab. Aus denen hatte man den besten Blick auf den Schotterweg, der von der Hauptstraße zur Schule führte. Ich rechnete nicht damit, dort unten Erich zu sehen, aber ich wartete trotzdem die ganze Zeit auf irgendetwas.
»Also, ich schätze, die Polizei wird nicht kommen.«
Ich drehte mich vom Fenster weg und sah Lucas einige Schritte hinter mir stehen. Er trug die schwarze Version unserer Uniform, und das Licht aus den Fluren, ein Stockwerk unter uns, zeichnete seine Silhouette so gestochen scharf nach, dass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte, nur seine breiten Schultern und die Art, wie er sich gegen die Steinmauer des Treppenhauses lehnte. Meine Furcht verwandelte sich in Sehnsucht.
Als ich ihm antwortete, klang meine Stimme ziemlich atemlos. »Nein. Mrs. Bethany wird nicht die Polizei einschalten. Das würde ganz falsche Aufmerksamkeit auf uns lenken.«
»Und man muss sich schließlich keine Sorgen machen, dass eines der… eines der r eichen Kids ihn erwischt hat.«
»Nein, Erich gehört genauso zu den reichen Kids wie alle anderen hier.«
Lucas trat einen Schritt näher auf mich zu, und nun konnte ich endlich trotz der Schatten auch sein Gesicht erkennen. All die Stunden, die ich damit verbracht hatte, ihn über Weihnachten zu vermissen, stiegen mit einem Mal in mir auf, und ich wollte so gerne meine Hand auf seine Wange legen oder meinen Kopf auf seine Schulter betten. Aber ich tat es nicht. Da war jetzt eine Barriere zwischen uns, die vielleicht nie wieder verschwinden würde.
»Es tut mir leid, dass ich deine E-Mail nicht beantwortet habe«, sagte Lucas.
»Ich denke, ich hatte einen Schock.«
»Kann man dir nicht verübeln.« Mein Herz schlug schneller.
Lucas fügte nur noch hinzu: »Wir sollten reden. Allein.«
Wenn er mir genug vertraute, um mit mir allein zu sein, obwohl er wusste, dass ich diejenige war, die ihn gebissen hatte, dann gab es doch noch eine Chance für uns! Ich versuchte, ganz ruhig zu klingen, als ich antwortete: »Ich kenne da einen Platz. Begleitest du mich dorthin?«
»Geh vor«, sagte Lucas, und ich wagte es, wieder Hoffnung zu schöpfen.
13
»Wohin wollen wir denn?«, fragte mich Lucas, als ich ihn die Hintertreppe hinaufführte.
»In den Nordturm. Ganz hinten über dem Schlaftrakt der Jungen gibt
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