Evers, Horst
von der Polizei.»
«Ach, der
Zumwinkel», ruft die Gekniffene, «der war doch nur ein kleiner Fisch, ein ganz
kleiner Fisch war das, aber hallo! Wissen Sie, woran man das merkt, dass das
ein ganz kleiner Fisch gewesen sein muss? Weil sie ihn erwischt haben, daran
erkennt man, was für ein kleiner Fisch das war!»
Ein Mann
mit Schal wirft ein, er finde den Streik richtig.
Man müsse
denen auch mal zeigen, dass man nicht alles mit sich machen lasse.
Eine Frau
mit Rollkoffer stöhnt, das sei dann wohl Dialektik. Um denen zu zeigen, dass
man nicht alles mit sich machen lasse, müssten wir alles mit uns machen lassen.
«In Singapur ...», brüllt der Mützenmann. «In Singapur», unterbricht ihn die
Raucherin, «bekäme man wegen so einer Mütze wie der Ihren fünfhundert Stockhiebe!»
«Und zwar
alle aufs linke Ohr, während Sie sich damit die Nase putzen!», wiehert der
Brillenmann. Dann kommt der Ersatzbus. Alle steigen ein. Nur ich bleibe zurück
und warte. Der Bus fährt ab. Nach ein paar Minuten sammeln sich neue Fahrgäste,
die stehen und warten. Aber keiner schimpft. Wer hätte das gedacht? Kneife
einen der Wartenden, um zu sehen, ob sie überhaupt echt sind ...
Nobelpreisträger wie du und ich
Donnerstagnachmittag
im Mi9er-Bus in Richtung Kreuzberg. Die Rolle vom Fahrscheinautomaten ist
leer. Der Fahrer winkt deshalb die Fahrgäste einfach durch. Heute fährt jeder
umsonst.
Ich habe
selten einen so gut gelaunten Bus erlebt. Die beiden zehnjährigen Jungs vor
mir diskutieren, was mit dem gesparten Fahrgeld zu tun ist. Der eine findet,
man müsse das den Eltern schon sagen. Der Freund allerdings ist ganz anderer
Ansicht:
- Ey Mann,
spinnst du, ey? Nischt sagen wir. Gar nischt. Ey Mann, das sind zweimal eins
vierzisch. Weißt du, wie viel Geld das is? Das sind, das sind, das sind, also
praktisch sind das eins vierzisch für jeden!
Den
anderen Jungen allerdings scheint genau das zu belasten:
- Eben, ich meine, was ist, wenn die
was merken? Wie sollen wir denen denn sonst erklären, woher wir plötzlich so
viel Geld haben?
- Die merken das doch gar nicht. Wir
dürfen uns nur einfach nischt anmerken lassen.
- Aber wenn wir uns jetzt etwas für
das Geld kaufen, dann fragen die uns doch, woher wir das Geld hatten.
- Eben, wir dürfen nicht sofort was
kaufen. Erst mal müssen wir einfach so weiterleben wie vorher.
- Was?
- Einfach so weiterleben wie bisher
...
- Echt, wie lange denn?
- Na, bis Gras über die Sache
gewachsen ist. Verstehste? Wir leben ganz normal weiter, gehn zur Schule und
alles, weißte? Wir tun einfach so, als wenn gar nichts gewesen war.
An der
nächsten Haltestelle steigt eine ältere Frau ein. Sie versteht nicht so
richtig, was der Fahrer von ihr will, also dass er nichts von ihr will. Ein
bisschen verärgert legt sie das Geld trotzdem in die graue Plastikschale. Er
zeigt auf die leere Fahrscheinrolle. Sie ruft kämpferisch: «Ich hab's aber
passend!» Er zeigt auf die leere Fahrscheinrolle. Sie starrt ihn an. Er zeigt
weiter auf die Fahrscheinrolle. So verharren sie für einen kurzen Moment, quasi
wie eingefroren. Sekundenlang stehen Raum und Zeit still, können die beiden
und auch alle anderen Fahrgäste durch einen Spalt der universalen Ewigkeit
linsen, bis schließlich der BVGler, immer noch auf die leere Fahrscheinrolle zeigend,
mit dem ganzen Charme, der ganzen Weisheit eines Berliner Busfahrers spricht:
«Leer.»
Sie starrt
ihn weiter an. Er sagt: «Wenn Sie unbedingt wollen, kann ich Ihnen auch einen
Fahrschein malen, ich signier den sogar für Sie, aber so ein handgemalter Fahrschein
wird dann natürlich sehr, sehr viel teurer.» Die kleine alte Frau schaut ernst,
dann blitzt es kurz in ihren Augen, und sie sagt: «Na, dann bezahl ich aber
auch mit selbstgemaltem Geld.» Zufrieden grinsend steckt sie das Geld wieder
ein und geht hocherhobenen Hauptes in den Bus.
Der Fahrer
lächelt, und auch ich muss zugeben, dass ich die Frau unterschätzt habe. So
eine Antwort hätte ich ihr niemals zugetraut. Geht ja schnell, dieses
Unterschätzen. Gerade in Berlin kann das ganz schnell passieren. Da ist es ohne
weiteres möglich, dass man einfach so Bus fährt, und plötzlich sitzt da die
Literaturnobelpreisträgerin direkt neben einem. Das merkt man ja nicht. Weil so
eine Literaturnobelpreisträgerin ja auch nicht jeden Tag ihr
Literaturnobelpreisträgerinnengesicht trägt. Das ginge gar nicht, und
vermutlich will man
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